Sturm im Elfenland
»Was führst du im Schilde?«, fragte sie misstrauisch.
»Nichts«, erwiderte er. »Warum sollte ich ‒ he, du hältst mich für den bösen Ziegengott, was? Ich habe den Lichtbringer nicht getötet, ich schwöre es!« Er lachte.
Alana musste lächeln. Das war eine alte Sage, an die sie schon ewig lange nicht mehr gedacht hatte. Ihr Vater hatte sie ihnen erzählt.
»Du brauchst einen Sternenstein«, sagte Ivaylo.
»Was ist das? Wofür ist es gut?«
Er fuhr mit der Hand in sein Hemd und holte einen dunklen, stumpfen Stein heraus, der an einer dünnen Kette um seinen Hals hing. »Sternenstein«, sagte er. »Das hier. Hast du so etwas schon mal gesehen?« Er zog die Kette über den Kopf und legte den Stein in ihre Hand.
»Oh«, sagte Alana. »Der ist ja ganz leicht und ‒ und irgendwie kalt.«
Ivaylo lachte vergnügt. Alana musterte ihn verblüfft. So entspannt hatte sie den Jungen noch nie erlebt.
»Leicht und kalt, hm?« Er legte einen Finger gegen den Stein in ihrer Handfläche und pustete sacht darüber.
Alana schrie leise auf. Ihr Arm sank unter dem Gewicht des Steins auf die Tischplatte, es fühlte sich an, als hätte sie eine heiße Bleikugel in der Hand.
»Was ist das?«, fragte sie und ließ den Stein auf den Tisch fallen. Harmlos und dunkel lag er da. Sie stupste ihn mit dem Finger an und er rollte ein Stückchen beiseite.
»Habe ich doch gesagt, ein Sternenstein«, erwiderte Ivaylo ungeduldig und legte die Kette wieder um.
»Wofür ist der Stein gut? Und woraus ist er gemacht?«
Ivaylo zog die Brauen zusammen und musterte Alana nachdenklich. »Wohnt hier irgendwo ein Zwerg?«, fragte er unvermittelt.
»Wozu ...« Alana schüttelte den Kopf. »Du bist merkwürdig. Aber ja, es gibt hier einen Zwerg. Er ist unser Schmied. Ich mag ihn nicht, er ist immer so brummig und unfreundlich.«
Ivaylo sprang auf. »Gehen wir zu ihm.« Er lief zur Tür.
Zu ihrer eigenen Verblüffung folgte Alana ihm, ohne zu zögern. »An den Stallungen vorbei«, rief sie, während sie hinter ihm herrannte. Er war so leichtfüßig und schnell wie eine Katze oder ein Wolf. »He, Wolfsjunge«, rief sie, »warte doch!«
Ivaylo stoppte und drehte sich zu ihr um. »Wie nennst du mich?«, fragte er. Weder sein Gesicht noch seine Stimme ließen erkennen, was er dachte.
»Entschuldige, das ist mir rausgerutscht«, sagte sie. »Ich wollte dich nicht beleidigen.«
Er berührte kurz ihre Schulter. »Das ist in Ordnung. Calixto nennt mich auch manchmal so, deshalb habe ich mich gewundert.«
»Calixto?«
Aber er hatte sich schon umgedreht und lief weiter. »Zu den Stallungen und dann?«, rief er über seine Schulter.
»Am Teich vorbei.« Alana schnappte nach Luft. »Nicht so schnell, Ivaylo.« Er war wirklich flink!
Der Junge verlangsamte seine Schritte, bis sie aufgeholt hatte. »Wie heißt er?«, fragte er.
»Wer? Ach, der Zwerg. Sverre Eisenhand.« Sie verzog das Gesicht. »Er ist ein übel gelaunter alter Kerl. Rechne lieber nicht damit, dass er uns freundlich empfangen wird. Was willst du überhaupt von ihm?«
Ivaylo drehte sich zu ihr um und lief eine Weile rückwärts vor ihr her, was er ebenso leichtfüßig tat, als ginge er ganz normal. »Ich will ihn bitten, dir einen Sternenstein zu geben«, erklärte er. »Das kann nur ein Zwerg tun. Meinen habe ich von Trond Hammerschlag selbst.« Er klang stolz.
»Was für alberne Namen«, murmelte Alana. Sie hielt Ivaylo am Ärmel fest, weil er schon wieder losrennen wollte. »Wieso redest du plötzlich mit mir?«
Er musterte sie mit hell glitzernden Augen. »Du bist nicht ganz so hochnäsig, wie ich gedacht habe. Und auch nicht ganz so dumm.«
»Oh. Danke«, sagte Alana eingeschnappt.
»He, das war doch nett gemeint«, rief Ivaylo. »Warum bist du jetzt sauer auf mich?«
»Na, du bist ganz schön eingebildet. Du hältst dich wirklich für was Besonderes, hm?«
Er überraschte sie damit, dass er lachte. »Gerade habe ich gesagt, du wärst nicht dumm«, sagte er. »Willst du, dass ich meine Meinung wieder ändere?«
Alana gab keine Antwort darauf. »Dort vorne«, sagte sie nach einer Weile, in der sie schweigend nebeneinander hergetrabt waren.
Das kleine Haus, in dem die Schmiede des Anwesens untergebracht war, lag zwischen dem Teich und der Straße zum Nachbargut. Alana ging langsamer und warf Ivaylo einen fragenden Blick zu. »Willst du alleine hingehen? Ich glaube, der Schmied mag mich nicht.«
Der Junge legte wortlos seine Hand auf ihren Rücken und schob sie
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