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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der Hölle tun konnte. Sie waren auf gleicher Höhe, seine und die Augen der braunen, riesigen Ratte, und beide erstarrten für einen Moment. Dann begannen die ekelhaften Barthaare der Ratte zu zittern wie Antennen in einem Herbststurm – das Vorzeichen eines Angriffs.
    »Attacke!«, wollte Dirk brüllen, wie schon so oft in seinen wilden Spielen, aber er brachte keinen Ton heraus, nicht einmal ein heiseres Krächzen. Irgendetwas in seiner kleinen, zerbrechlichen Kinderseele begriff, dass es diesmal nicht genügte, sich noch bessere, noch tödlichere Waffen auszudenken, um mit einer Bedrohung fertig zu werden. Diesmal war es echt.
    Die Ratte grinste. Vielleicht war es kein Grinsen, vielleicht öffnete sie nur ihr fürchterliches Maul, um im nächsten Moment zuzuschnappen und das Papierschiffchen mitsamt seinem tapferen Soldaten zu verschlingen. Aber das spielte keine Rolle, für Dirk war es ein Grinsen, ein bösartiges, widerliches Grinsen, bei dem sich in sein Gehirn ein für alle Mal die Gewissheit einbrannte: Ratten grinsen vor einem Angriff.
    Das Wasser schlug höhere Wellen, das Schiffchen tanzte, und der Soldat versuchte, sich umzudrehen, mit seinem Hypersuperultraphaser auf das braune, nasse Ungetüm zu zielen, das auf ihn zuhielt, und dann kippte er um.
    Er kippte nicht in das Schiffchen, er kippte über die Bordwand, in die tobende, schäumende See. Es ging alles so schnell. Dirk lag noch immer auf dem Bauch, stocksteif, wie gelähmt von dem Betäubungsstrahl aus einem feindlichen Raumschiff, und musste zusehen, wie sein tapferer und eigentlich unbesiegbarer Soldat in den Fluten versank und die Ratte mit schlängelnden, zuckenden Bewegungen auf ihn zuschwamm …
    »Was hängen Sie da rum wie vergessener Weihnachtsbaumschmuck?«, donnerte Johns Stimme unter ihm. »Kommen Sie endlich her, verdammt noch mal!«
    Dirk hätte vor Schreck beinahe das Seil losgelassen. Er sah immer noch die glänzenden Rattenaugen, fühlte noch immer die nackte Panik, die ihn den Angriff des braunen Biests angsterstarrt hatte beobachten lassen, sah die schäumende Welle, die sein Schiffchen umgeworfen hatte, und …
    »Ich muss hier raus«, murmelte er, dann lauter: »Ich muss hier RAUS!«
    »Was ist los?«, fragte Rastalocke alarmiert.
    »Die Ratte!«
    »Die ist längst weg.« Rastalockes Stimme überschlug sich fast vor Ärger. »Ratten haben mehr Angst vor Menschen als umgekehrt, also machen Sie sich nicht ins Hemd und kommen Sie endlich!«
    Etwas Dümmeres hätte er nicht sagen können. Die Ratte hatte eindeutig keine Angst vor Dirk gehabt. Vielleicht hatte sie die Furcht des kleinen Jungen gespürt, der da vor ihr im Dreck lag, vielleicht hatte sie sich auch nur das Papierschiffchen schnappen wollen, weil sie es für etwas Essbares hielt. Wie auch immer: Sie war auf ihn zugekommen. Sie hatte ihn angegriffen. Sie hatte ihn gebissen.
    Er war aufgesprungen, kaum dass sich die spitzen Rattenzähne in sein Handgelenk gebohrt hatten. An dieser Stelle flackerte seine Erinnerung und setzte aus, wie bei einer Bildstörung im Fernsehen. Er wusste nur noch, dass er geschrien und geschrien und geschrien hatte und auf dem kleinen Trampelpfad zum Haus gelaufen war, unsicher und torkelnd, sodass ihm Zweige durchs Gesicht peitschten und er um ein Haar gestolpert und gestürzt wäre. Die Ratte hing immer noch an seinem Handgelenk – zumindest kam ihm das so vor –, und es tat schrecklich weh, und obwohl er damals noch keine Ahnung von den schlimmen Krankheiten gehabt hatte, die eine Ratte übertragen konnte, war er sicher gewesen, dass er sterben würde.
    Dirk wurde schlecht. Die Übelkeit, die bereits in ihm gewesen war, als er sich über das dunkle Loch gebeugt hatte, und die sich gesteigert hatte, je weiter er sich in den Gestank hineinwagte, drohte zu explodieren und sich über Rastalocke zu ergießen.
    »Was ist denn?« Unter Dirk flammte etwas auf, eines der Feuerzeuge, die Rastalocke stets mit sich herumschleppte, um schnell einen Joint anzünden zu können, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Das Licht kam Dirk unerträglich grell vor und war kaum geeignet, ihn mehr erkennen zu lassen als scharfkantiges, feuchtes Gestein, das unendlich tief in die Dunkelheit hinunterreichte, als habe sich hier vor einer Ewigkeit ein gigantischer Wurm durch den Felsen nach oben gegraben.
    Immerhin sah er keine Ratte. Aber das hatte nichts zu sagen. Überall im Gestein konnten Löcher und Aushöhlungen sein, in denen eine ganze Rattenbrut

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