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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ein Feuerzeug und eine seiner ganz speziellen Zigaretten hervor.
    »Ja, wir sollten es herausfinden.« Biermann war mit zwei Schritten bei Rastalocke und packte ihn am Handgelenk, um ihm die Zigarette zu entwinden. »Aber nicht so.«
    »Nicht so was?« Rastalocke entzog sich mit einer schnellen Seitwärtsbewegung Biermanns Griff und wich einen Schritt zurück. »Lass mich in Ruhe, ja? Ich brauche was zu rauchen. Meine Nerven flattern mir sonst auf und davon.«
    Biermann betrachtete ihn mürrisch. »Ja, vielleicht hast du recht. Zieh dir nur in Ruhe einen Joint rein. Ich sehe mich mit Gallwynd inzwischen nach dem Ausgang um.«
    Rastalocke steckte sich die Zigarette in den Mundwinkel und ließ das Feuerzeug aufflammen. »Mach mich nicht von der Seite an«, nuschelte er. »Du weißt doch wohl am besten, dass ich mich immer im Griff habe.«
    »Na klar … immer …«
    Den Rest des Satzes bekam Dirk nicht mehr mit. In dem schattenreichen Licht vor ihnen war plötzlich Bewegung, wo keine Bewegung sein sollte, ein Huschen und Hasten, beinahe lautlos und kaum mit dem Auge wahrnehmbar. Die Ratten, dachte Dirk vollkommen nüchtern und furchtlos, als seien seine Emotionen wie auf Knopfdruck ausgeschaltet. Die Ratten kommen, und sie werden über uns herfallen, diese kleinen gierigen Raubtiere, sie werden ihre Klauen in unser Fleisch schlagen und ihre spitzen Zähne bis in unsere Knochen bohren; sie werden Haut, Blutgefäße, Muskelstränge und Sehnen herausfetzen, sie werden uns bei lebendigem Leib auffressen, und so viele wir auch zertreten und zermalmen können, es werden mehr und mehr kommen, eine endlose Flut widerlicher brauner Leiber, unter deren Ansturm wir schließlich wanken und zu Boden gehen; und das Letzte, was wir wahrnehmen, werden fürchterliche, unerträgliche Schmerzen sein, Qualen an allen Stellen des Körpers, auch im Gesicht, wo scharfe Rattenzähne Wangenfleisch und Lippen zerreißen …
    Und dann werde ich Kinah wiedersehen. Und Akuyi
    »Nein!« Dirk gab einen gurgelnden Laut von sich, ging in die Knie, kam wieder hoch. Nein! Es durfte nicht sein, dass er Kinah und Akuyi dann wiedersah, denn das würde bedeuten, dass sie tot waren. Er musste etwas tun, musste sie aus der tödlichen Gefahr retten, in der sie sich gerade befanden …
    Geräusche – ein Schaben, Trappeln, Zischeln –, drangen aus allen Richtungen, aber vor allem von vorne, und dann sah Dirk, wie sich Bewegungen verdichteten, wie Schemen zu Körpern wurden, zu großen, für Ratten viel zu großen Körpern. Er blinzelte und versuchte, mehr zu erkennen als wirbelnde, nicht fassbare Schatten. Es half tatsächlich, mit jedem Lidzucken, mit dem er seine Augen schloss und wieder öffnete, nahm das, was da heranwogte, konkretere Formen an. Und dann sah er sie, dunkle, sehr dunkle Gestalten mit grellweißen Gesichtern, Wesen mit zwei Armen und zwei Beinen, Menschen und doch wieder keine, die Dinge in ihren Händen hielten, die das Licht, das auf sie fiel, teilweise zu verschlucken schienen und teilweise fast grell reflektierten, glatt polierte Steinklingen, klobige Keulen und scharfkantige Wurfgeschosse.
    Etwas in Dirk begriff, dass er dabei war, den Verstand zu verlieren. Er war in eine Grotte eingedrungen, nicht von einem Hügel hinuntergeeilt, weil er Akuyi auf dem anderen, gegenüberliegenden Hügel gesehen und ihre Not begriffen hatte. Trotzdem befand er sich jetzt in der Senke unter den beiden Hügeln, und trotzdem sah er eine Horde dunkelhäutiger, menschenähnlicher Gestalten, die mit archaischen Waffen in den Händen auf ihn zuhetzte, als müsste sie nur noch ihn erledigen, bevor sie sich endgültig Akuyi zuwenden und sie töten könnte.
    »Nein!«, brüllte Dirk noch einmal.
    Er stieß sich von der Felswand ab und stolperte nach vorne. Die Horde kreischte auf, in schauerlichem Triumph und mit Lauten, die nichts Menschliches hatten, und stürmte auf ihn zu. Dirk starrte in schauerliche weiße Fratzen, Schreckensgesichter mit spitzen Wangenknochen und weit aufgerissenen Augen.
    Er kam nicht weit. Eine heftige Bö traf ihn und warf ihn zurück, noch bevor er den trockenen Bodenbereich verlassen hatte. Er verlor das Gleichgewicht, griff nach der Wand, die eben noch warm und weich neben ihm gewesen war, sich jetzt aber rau, rissig, kalt und nass anfühlte, fand in letzter Sekunde Halt und krallte sich in das Gestein, so gut es ging.
    Es ging nicht sehr gut. Der Bö folgte eine weitere, ein Windstoß, der sein Hemd, seine Jacke und seine Haare

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