Sturm ueber Cleybourne Castle
Gesicht verzerrte sich zu einer abstoßenden Grimasse. Am liebsten wäre sie mit Nägeln und Fäusten auf ihren Mann losgegangen, doch sie wusste, dass Vesey ein großer Feigling war und zu schreien und zu jammern beginnen würde, bis ihm irgendjemand zu Hilfe kam. In diesem armseligen Gasthof sollte jedoch keiner merken, was für eine bedauernswerte Kreatur ihr Mann war. Deshalb beherrschte sie sich und erwiderte so geringschätzig wie möglich: „Du weißt doch gar nicht, was sich ein richtiger Mann wünscht. Du bist doch völlig dekadent und entartet."
Vesey schnalzte mit der Zunge und riss in spöttischer Bewunderung die Augen auf. „Was du für großartige Ausdrücke kennst! Hast du etwa kürzlich mit einem Schriftsteller geschlafen?"
Höhnisch lächelte Leona ihn an. Vesey war in der Tat kein richtiger Mann. Nach ihrer Hochzeit war er ein paarmal in ihr Bett gekommen und hatte den schwachen Versuch gemacht, einen Erben zu zeugen - als wenn ihnen beiden daran nur das Geringste gelegen gewesen wäre! Bald darauf hatte sie ihm auch klargemacht, dass sie nicht die Absicht hatte, ihren Körper durch eine Schwangerschaft zu verunstalten. Von dieser Zeit an hatte sie alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um ein solches Missgeschick zu verhindern. Nun ja, bei Vesey wäre das nicht nötig gewesen, denn seine sexuelle Leistungsfähigkeit war geradezu kläglich - nicht zu vergleichen mit der Leidenschaft, die Devin ihr geschenkt hatte. Bei der Erinnerung an ihn unterdrückte Leona nur mit Mühe einen sehnsuchtsvollen Seufzer, denn sie hatte Devin in den letzten Monaten schrecklich vermisst. All ihre Versuche, ihren verflossenen Liebhaber bei anderen Männern - vom Lord bis zum einfachen Tagelöhner - zu vergessen, waren vergeblich gewesen. Keiner von ihnen hatte seine Vitalität besessen, seine Begabung und auch seinen Erfindungsreichtum.
Am meisten aber wurmte sie die Tatsache, dass ihr Mann im Eecht war. Sie hatte in der Tat die Angelegenheit mit Devin verpfuscht, weil sie ihre Macht über ihn überschätzt hatte. Der Einfall einer Vermählung mit der reichen amerikanischen Erbin stammte von ihr! Aber woher hätte sie denn wissen können, dass sich diese blasse, unmögliche Person, für die sie die Amerikanerin gehalten hatte, als ein reizvoller Schlaukopf entpuppen würde? Anstatt dass Devin das Geld seiner Frau genommen und für Leona und ihr gemeinsames Vergnügen ausgegeben hatte, war ihm nichts Besseres eingefallen, als sich mit dem albernen Weibsstück auf seinem langweiligen Besitztum in Derbyshire niederzulassen. Sie selbst war ohne einen Penny und körperlich unI icfriedigt zurückgeblieben. Der unerwartete Ausgang dieses Schachzuges ärgerte sie seitdem unablässig.
„Das ändert aber an der Situation überhaupt nichts", sagte sie schließlich übellaunig. „Wir sind in dem Testament dos Generals nicht bedacht worden, und das Beste ist, wir i.ihren so schnell wie möglich wieder nach Hause. Ich kann i-s kaum erwarten, diesem Nest den Rücken zu kehren. Wie können Menschen nur auf dem Lande leben?"
Wir haben trotzdem noch die Möglichkeit, etwas zu bekommen, meine Liebe, und zwar nicht wenig - sofern wir nur den Mut aufbringen, die Chance zu ergreifen." „Welche Chance ergreifen? Was faselst du wieder für einen Unsinn?"
Vesey stieß einen zornigen Seufzer aus. „Hast du wirklich einen so beschränkten Verstand? Wir sind zwar von dem Erbe ausgeschlossen worden, aber Gabriela ist immerhin erst vierzehn. Ihr Vei-mögen wird von ihrem Vormund verwaltet. Wenn man mich zu ihrem Vormund bestellen würde, hätte ich ein beträchtliches Sümmchen zu meiner Verfügung, und ich wäre natürlich bereit, die Bürde dieses Amtes zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass das Mädchen ... richtig erzogen wird."
Anklagend hob Leona den Blick zur Zimmerdecke. „Du bist nicht nur ein Schwein, Vesey, sondern auch ein Dummkopf. Gabriela hat einen Vormund, und der Duke of Cleybourne gehört sicherlich nicht zu den Leuten, mit denen du dich anlegen möchtest."
„Du stellst dir den Duke so vor, wie er vor Jahren war", entgegnete Vesey achselzuckend. „In Wirklichkeit aber hat er sich in der Zeit nach dem Tod seiner Frau völlig von der Welt zurückgezogen und lebt seitdem wie ein Einsiedler. Glaubst du wirklich, dass er unter diesen Umständen ein halbwüchsiges Mädchen in sein Haus aufnehmen möchte? An Gabrielas Erbe wird er kein Interesse haben, denn er hat selbst genug Geld. Außerdem besitzt er zu viel Anstand,
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