Sturm ueber Cleybourne Castle
während des restlichen Tages gelang, den Haushalt des Duke völlig durcheinander zu bringen. Sie hielt die Dienstboten durch ständiges Klingeln und zahllose Wünsche auf Trab. Sie wünschte zu essen und zu trinken, aber nichts, was ihr gebracht wurde, entsprach ihren Anforderungen. Dann sollten die Kissen aufgeschüttelt werden, das Bettlaken musste ausgewechselt werden - und so ging es ohne Ende weiter.
Schließlich musste sie nach einigen öden und einsamen Stunden allein in ihrem Bett erkennen, dass es ihr zwar gelungen war, ihr weiteres Verweilen in Cleybourne Castle durchzusetzen, jedoch auf diese Weise keine Möglichkeit gefunden werden konnte, den Duke mit ihren Verführungskünsten zu umgarnen. Nicht ein einziges Mal war Cleybourne in ihr Zimmer gekommen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Und als sie nach seinem Verbleib fragte, bekam sie zur Antwort, Seine Gnaden sei in seinem Arbeitszimmer und gehe mit dem Verwalter die Abrechnungen durch.
Am Nachmittag beschloss sie schließlich, einen Szenenwechsel durchzuführen. Sie befahl den Lakaien, sie wieder hinunter in eines der Wohnzimmer zu tragen. Dort ließ sie sich auf eine mit blauem Samt bezogene Chaiselongue betten und arrangierte dekorativ ihre Röcke um die Beine. Den verletzten Knöchel legte sie auf ein Kissen, sodass man einen Blick auf den Ansatz ihrer wohlgeformten Wade erhaschen konnte. Zwar enthüllte das Tageslicht die winzigen Fältchen um Mund und Augen, die der milde Kerzenschein sonst diskret verbarg. Aber zum Glück stand die Sonne bereits so tief, dass ihr Licht nicht mehr bis zu der Stelle des Zimmers drang, an der sie sich niedergelassen hatte.
Jedoch machte der Duke auch jetzt noch keine Anstalten, ihr einen Besuch abzustatten, und so wurde sie von Minute zu Minute gereizter und ärgerlicher. Zu guter Letzt musste sie sich mit Vesey abfinden, der hereingeschlendert kam, um zu sehen, wie es ihr ging. Dabei unterbreitete er ihr den Vorschlag, einen der Diener zu Gabriela und ihrer Gouvernante zu schicken und sie hierher zu bitten.
„Es ist doch ganz natürlich, dass ich mich als ihr Cousin für ihr Befinden interessiere. Im Übrigen werden Kinder immer geholt, wenn es darum geht, langweilige ältere Verwandte zu unterhalten."
„Deiner Meinung nach gehöre ich also in diese Kategorie?" fragte Leona erbost. „Aber keineswegs, meine Liebe. Ich wollte nur sagen, dass es ein Grund wäre, die Kleine endlich zu sehen. Vielleicht finde ich eine Gelegenheit, mich mit ihr anzufreunden. Sicherlich kommt sie sich wichtig vor, wenn wir ein bisschen mit ihr plaudern."
„Aber was soll man denn mit einem Kind reden?" jammerte Leona. „Mein Leben lang bin ich diesen Bälgern aus dem Weg gegangen."
„Nun, schließlich warst du auch einmal ein Kind", erwiderte ihr Gatte, „und bist mit anderen Kindern zusammengekommen."
„Ach, ich bin sicher, sie waren alle schrecklich langweilig. Du bist mir überhaupt keine Hilfe, Vesey. Und was ist mit der Gouvernante? Mir liegt überhaupt nichts daran, dass sie hier sitzt und ich mich auch noch mit ihr unterhalten muss."
„Mit wem willst du dann reden? Mit den Dienstboten vielleicht? Immerhin kommt der Rotschopf aus einer guten Familie. Der Onkel ist ein Baron."
„Und dann verdient sie ihren Lebensunterhalt als Gouvernante? Das ist doch völliger Unfug!"
„Nein, nein, es ist wahr. Vor einigen Jahren war ihr Vater in irgendeinen Skandal verwickelt, und da wollte natürlich niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben. Aber ein bisschen Skandal sollte dich doch nicht stören, meine Liebe."
Leona schnitt eine Grimasse. „Ich bin sicher, dass es kein interessanter Skandal war. Sie ist doch eine zu affektierte Person." Seufzend überlegte sie, dass Jessicas Gesellschaft wahrscheinlich immer noch besser war, als den Rest des Nachmittags mit Vesey zu verbringen. „Also gut, dann lasse sie holen."
Erfreut sprang Lord Vesey auf, und kurze Zeit später betraten Jessica und Gabriela den Raum. Sie sehen so ordentlich aus wie ein aufgeräumter Wäscheschrank und genauso langweilig, dachte Leona. Aber vielleicht wird es amüsant zuzusehen, wie Vesey sich bei dem Versuch, die Kleine für sich zu gewinnen, zum Narren macht.
Die beiden nahmen auf einem kleinen Sofa Platz. Vorsorglich setzte Jessica sich zwischen Veseys Stuhl und ihren Schützling. Zunächst hatte sie vorgehabt, den arroganten Befehl von Lord Vesey einfach zu ignorieren, zumal Gabriela Angst davor hatte, mit ihm in einem Zimmer zu sein.
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