Sturm ueber den Highlands
bewachen“, hatte der alte Mann geknurrt.
„Sei guten Mutes, vielleicht werden die Munros dich angreifen“, hatte Lucais erwidert, auch wenn er sich bewusst war, dass der Feind wohl kaum ahnte, dass sie den Zeitplan für die Reise zum Markt geändert hatten. Ohne Zweifel leckten sie ihre Wunden und suchten nach einem Zugang zum Turm. Lucais’ nächste Absicht war es, eine Falle zu errichten, um die Feinde zu fangen, sobald seine Männer aus Curthill zurückkamen. Nicht, um sie zu töten, denn das würde nur einen blutigen Kampf heraufbeschwören. Nein, er wollte sie allesamt in ein Verlies werfen, bis er mit ihnen über ein Friedensabkommen verhandeln konnte.
„Papa! “ Gillie stand in der Türöffnung des Kontors. Die Haare unordentlich wie immer, das Gesicht gerötet und geschwollen vom Weinen.
„Was ist los, Mädchen?“ Als er diese Frage aussprach, beschlich ihn eine düstere Vorahnung. Elspeth.
„Sie hat den Dolch genommen und ist davongelaufen“, stieß Gillie hervor.
„Was?“ Angst trieb ihn die wenigen Schritte in das Kontor. „Elspeth?“ Lucais blieb an der Tür stehen, sah die offene Truhe und den Umhang seines Großvaters auf dem Boden liegen. O Gott, sie hat das Dokument gefunden. Entsetzen ließ ihn vor der Truhe auf die Knie sinken. Seine Hände bebten, als er wie im Wahnsinn in den Stücken wühlte, die von einer Generation zur nächsten von Sutherland Lairds weitergegeben wurden.
Weg. Das Dokument war weg.
Lucais kam wieder auf die Beine, die Augen hielt er geschlossen. Was musste Beth denken? Das Schlimmste, denn er kannte ihre Neigung, voreilige Schlüsse zu ziehen. „Wo ist sie?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Gillie. „Sie nahm das große Messer und die Dinge aus dem kleinen Kästchen. Sie sagte mir, ich solle hier bleiben, bis du kommst.“
„Was?“ rief Lucais mit weit aufgerissenen Augen. Er nahm die Schatulle an sich, die Daibidh ihm anvertraut hatte.
„Dieses Kästchen darf niemals geöffnet werden“, hatte der alte Druide ihm befohlen. „Meine Zeit läuft ab, und ich möchte nicht, dass es in die falschen Hände fällt. Bewahre es. Übergib es dem, der mir nachfolgen wird.“
Lucais war gerührt gewesen über das Vertrauen des alten Mannes. Nun musste er mit Entsetzen feststellen, dass das Schloss aufgebrochen war. Und was auch immer in seinem Inneren gelegen hatte, als Daibidh es ihm übergab, war nun verschwunden. „Verdammte Hölle“, flüsterte er und öffnete es. Es roch nach Alchimie und Weihrauch, nach dunklen Geheimnissen und uralten Riten. Geheimnisse, die Elspeth gestohlen hatte.
Warum? Aus Groll wegen des Dokumentes? Oder für einen tieferen, bösen Zweck? Nein, er wollte nicht schlecht von ihr denken, besonders nicht nach der Glückseligkeit, die sie in ihrer gemeinsamen Umarmung fanden. Doch die Tatsachen blieben.
Elspeth hatte sein Vertrauen missbraucht. Aus Habsucht, aus Rache, er wusste nicht, was sie dazu getrieben hatte. Doch er wusste, wohin sie gegangen war.
Zum Turm.
Der Turm war größer als in ihrer Erinnerung.
Elspeth spähte hinter einer alten, knorrigen Eiche am Waldrand hervor und blickte argwöhnisch hinauf, wo der Turm hinter den Baumwipfeln verschwand. Ein Strahl der späten Nachmittagssonne bohrte sich durch den belaubten Baldachin und tauchte den verwitterten Stein in blasses, überirdisches Licht. Das Schweigen, das über dem Tal lag, ließ sie erschauern. Während sie durch den Wald ritt, der an den Loch grenzte, hatte ihr Pferd viel Kleinwild aufgescheucht. Hier schien es, als würde sich keine Kreatur regen. Kein Vogel, kein Tier, kein Mensch.
Von Kinduin wegzukommen war leichter gewesen, als sie befürchtet hatte. Das Küchengebäude war leer gewesen, als sie hineinschlich, um sich mit Proviant zu versorgen. Durch das offene Fenster konnte sie die Mägde hören, wie sie scherzten und lachten, während sie Kräuter in dem kleinen Küchengarten sammelten. Sie hatte keine Zeit verschwendet und einen Sack mit Brot, Käse und getrocknetem Fisch vollgestopft, genug für einige Tage. Und zwei Schläuche hatte sie gefüllt, einen mit Wasser, den anderen mit Wein. Sir Giles würde bald mit ausreichenden Vorräten zurückkehren, so dass das Wenige, das sie mitnahm, die Sutherlands nicht beraubte.
Elspeth hatte Beinlinge, Stiefel und eines von Lucais’ weiten Hemden angezogen, viel zu groß, doch sie hatte es um die Taille mit dem breiten Ledergürtel zusammengerafft, in den sie den unhandlichen bldag und ihr Speisemesser
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