Sturm über Freistatt
würde unter Folter alles hinausschreien. Also sage ich besser, daß ich was dagegen habe, Ahdio!«
Der Riese seufzte. »Meine Lippen sind versiegelt. Ihr drei seht aus, als würdet ihr euch lieber in der Kammer unterhalten.«
Zip und Hanse nickten.
Eine Minute später führte Ahdio Hanse und Kama, nachdem sie Zip eine gute Nacht gewünscht hatten, zu der Kammer, einem Nebenraum der Schankstube. An ihren Wänden hingen einige Gerätschaften und zwei volle Ledersäcke. Der Tisch war quadratisch und wie die Stühle gut gearbeitet. Außerdem lagerten hier etwa zwanzig Faß Bier. Eine große rote Katze mit einem zerfledderten Ohr, unruhigem Schwanz und bedrohlich wirkendem Gesichtsausdruck saß herum. Sie blickte Hanse an. Hanse war kein sonderlicher Katzenfreund. Jedes Tier, das einem Menschen so lange in die Augen starren konnte, daß er sie schließlich abwenden mußte, gehörte verboten, fand er. Diese hier sah noch dazu aus, als verschlinge sie mühelos große lebende Hunde.
»Das sind Freunde, Wunder«, erklärte Ahdio der Katze. »Entschuldigt mich bitte«, sagte er ruhig, dann tätschelte er Hanses und Kamas Schulter. »Freunde, Wunder. Gönn dir ein Nickerchen.«
Wunder blinzelte lange stumm und beobachtete die Fremden. Kama tat, als wäre die Katze nicht da, während Hanse zurückstarrte. Ahdio trat zu den Fässern und hob eines zur Seite, das mehrere hundert Pfund wog, dann das nächste dahinter. Schließlich kauerte er sich nieder. Als Zips Klopfen erklang, war er bereit, die winzige Geheimtür zu öffnen. Er wich zur Seite, während Zip auf allen vieren in die Kammer kroch. Ahdio schloß die niedrige Tür wieder, schob beide Riegel vor und stellte die Fässer zurück. Er legte auch Zip Entschuldigung heischend die Hand auf die Schulter, deutete auf den Tisch und die Stühle und machte sich ans Gehen.
»Oh«, sagte er an der Tür zur Gaststube. »Wenn ihr etwas braucht, wartet bitte eine Weile, ich schicke euch Throde.«
»Wer ist Throde?« erkundigte sich Zip, während Hanse sagte: »Soll das heißen, daß wir dieser Katze wegen lieber nicht aufstehen und zur Tür gehen sollen, Ahdio?«
»Es ist eine verdammt gute Katze, Hanse. Vor geraumer Zeit wollte einer hier eindringen, da schrie Wunder so laut, daß sie jeden Möchtegerneinbrecher von hier bis zur Straße des Erbrechens erschreckt hat. Ein anderer Halunke, der nichts Gutes im Schild führte, ist mir eines Nachts hierher gefolgt, doch noch ehe er seinen Dolch ziehen konnte, hat Wunder ihm in den Arm gebissen. Sie mag Bier, aber sie nimmt es von niemandem außer mir. Zip, Throde ist mein Helfer. Du kennst ihn, sie nennen ihn Humpler. Guter Junge. Aus Twand. Der Sohn meines Vetters.«
Da Hanse sehr wohl wußte, daß Ahdiovizun gar nicht aus Twand war, zweifelte er an Throde oder Humplers Verwandtschaft mit ihm. Doch was machte das schon. Ahdio war in Ordnung, und Throde war sein Helfer, und Zip sowie Jes – wie lautete noch ihr richtiger Name? – waren in Verkleidung, und … Aber was spielte es schon für eine Rolle, wie viele Lügen in der Schenke erzählt und gelebt wurden?
Die Geschichte über Wunder, die rote Katze, glaubte Hanse durchaus.
Ahdio verließ sie. Ohne Vorrede und auch nur eine Spur von Lächeln, forderte Hanse Zip auf: »Heraus damit! Du bist jetzt Führer einer Schar, die sich Volksfront für die Befreiung Freistatts nennt, und vor kurzem hättest du bald ins Gras gebissen. Diese als Mann verkleidete Frau hat einen Akzent, weiß sich zu bewegen und sagt, sie sei aus Ranke. Also wohl ein Bündnis gegen die Starraugen? Aber was soll ich dabei? Ich habe nichts mit Politik zu tun.«
»Du hast natürlich recht, was Kama betrifft«, bestätigte Zip. »Sie gehört dem 3. Rankanischen Kommando an, das genauso scharf darauf ist wie wir, die Starraugen – Fischäugigen, meinetwegen – loszuwerden. Das gelingt uns natürlich nicht von heute auf morgen, auch nicht bis zum nächsten Eshtag. Wir brauchen größere Anerkennung, mehr Geld, mehr gute Leute, mehr, die unsere Sache unterstützen.«
Hanse hatte aufgehört, nach den Bierkrügen zu greifen oder auch nur einen Blick danach zu werfen. »Ich habe kein Geld, und bin für eure Zwecke weder ein guter Mann, noch bin ich daran interessiert, mich der VFBF anzuschließen.« Er zuckte die Schultern. »Ihr bekommt mehr Anerkennung, wenn ihr bewiesen habt, daß ihr mehr könnt, als blutige Botschaften an die Wände des Wilden Einhorns zu malen und Eindaumen oder andere in Schwierigkeiten
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