Sturm ueber roten Wassern
servieren. Das Publikum strahlte gespannte Erwartung aus, welche in keinem Verhältnis zu dem zähen Fortgang des Wettbewerbs stand, der sich auf den schwarzen und weißen Quadraten abspielte. »Was soll daran so verdammt faszinierend sein?«, murmelte Locke auf Vadran vor sich hin.
Dann wurde die erste Figur aus dem Spiel genommen, und die Dämonen hatten ihren Auftritt in der Arena.
Die Weiße Kriegsherrin platzierte absichtlich eine ihrer »Figuren«, einen älteren Mann, in eine riskante Position. Hinter ihm lauerte ein Teil ihrer Armee in einem offensichtlichen Hinterhalt, doch anscheinend dachte der Schwarze Kriegsherr, dass sich ein Austausch lohne. Auf den gebrüllten Befehl eines Schwarzen Adjutanten hin trat ein halbwüchsiges Mädchen in Schwarz von einem diagonalen Quadrat nach vorn und berührte den älteren Mann an der Schulter. Der ließ den Kopf hängen, und einen Moment später ging der tosende Beifall der Menge unter in einem wilden Kreischen, das links von Lockes Platz im Stadion losbrach.
Aus einer Seitenpforte rannten sechs Männer in die Arena, gekleidet in aufwändige Lederkostüme mit schwarzen und orangeroten Rüschen; vor den Gesichtern trugen sie groteske, grellorange Masken, an denen wüste schwarze Haarmähnen flatterten. Sie warfen die Arme in die Luft, schrien und heulten wie besessen, und unter dem Gejohle der Menge rasten sie durch die Arena auf den sich windenden Mann in Weiß zu. Die Dämonen packten ihn bei den Armen und an den Haaren; sie zerrten und stießen den schluchzenden Kerl an den Rand des Spielfelds und stellten ihn dort zur Schau wie ein Opfertier. Einer der Dämonen, ein Mann mit einem dröhnenden Bass, zeigte auf den Schwarzen Kriegsherrn und brüllte: »Verhänge die Strafe!«
»Ich will die Strafe verhängen!«, rief der kleine Junge in der Loge des Kaufmanns.
»Wir hatten doch ausgemacht, dass deine Schwester zuerst drankommt. Theodora, nenne das Strafmaß.« Das kleine Mädchen sah konzentriert auf den Boden der Arena hinunter und flüsterte ihrem Vater etwas ins Ohr. Der räusperte sich d donnerte: »Sie will, dass die Wächter ihn mit ihren Knüppeln schlagen. Auf die Beine!«
Und so geschah es dann auch; die Dämonen hielten den sich krümmenden, schreienden Mann an den weit ausgestreckten liedmaßen fest, während zwei Wächter auf ihn eindroschen, jeder Stockschlag hallte in der Arena wider; sie bearbeiteten seine Schenkel, Schienbeine und Waden, bis der Oberste Dämon die Hände hob und ihnen das Zeichen zum Aufhören ab. Die Zuschauer applaudierten höflich (wenn auch nicht besonders enthusiastisch, fand Locke), und die Dämonen schleiften den am ganzen Leib schlotternden, blutenden Mann aus der Arena.
Im Handumdrehen kamen sie zurück; eine der weißen Figuren entfernte beim nächsten Zug eine schwarze. »Verhänge die Strafe!«, dröhnte es wieder durch die Arena.
»Ich verkaufe das Recht für fünf Solari«, schrie die Lashai-Vicomtesse. »An den, der zuerst bietet!«
»Ich zahle sie«, rief ein alter, in Lagen aus Samt und Goldbrokat gekleideter Mann von der Zuschauertribüne. Der berste Dämon deutete mit dem Finger auf ihn, und er gab einem Gehilfen, der einen Gehrock trug und direkt neben ihm stand, einen Wink. Der Gehilfe warf eine Geldbörse zu einem von Saljescas Wachen hinunter, der zur Spielfeldseite der Weißen Kriegsherrin trabte und den Beutel in ihre Loge warf.
Danach schleppten die Dämonen die junge Frau in Schwarz vor den alten Mann, damit der sie begutachten konnte. Nachdem er sie eine Weile übertrieben sorgfältig gemustert hatte, rief er: »Zieht sie aus!«
Die Dämonen rissen der Frau den schwarzen Überwurf und das schmutzige Baumwollkleid herunter; binnen Sekunden stand sie splitternackt da. Sie schien entschlossen zu sein, sich nicht so gehen zu lassen wie der Mann, der vor ihr abgeführt worden war; mit versteinerter Miene starrte sie zu dem alten Mann hinauf, egal, ob dieser ein Lord aus niederem Adel oder ein Handelsbaron sein mochte, und schwieg beharrlich.
»Ist das alles?«, kreischte der Oberste Dämon. »Oh nein«, erwiderte der alte Mann. »Schert ihr den Kopf kahl.«
Daraufhin brachen die Zuschauer in Beifallsstürme und Jubelrufe aus, und zum ersten Mal verriet die junge Frau Anzeichen von echter Furcht. Eine dichte Mähne aus glänzendem schwarzem Haar reichte ihr bis zur Taille, etwas, worauf jede Frau stolz sein konnte, selbst unter den Ärmsten der Armen; und vielleicht war ihr wunderschönes Haar auch
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