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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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seiner ersten Teilnahme am Vergnügungskrieg zu stehen. Ein so kleines Licht wie Mordavi Fehrwight hatte keinen Ruf, den es zu wahren galt. Am Boden der Arena befand sich ein Feld aus glänzenden schwarzen und weißen Marmorquadraten mit jeweils einem Fuß Seitenlänge. Zwanzig mal zwanzig dieser Karrees reihten sich aneinander, wie bei einem gigantischen Fang-den-Herzog-Spielbrett. Anstelle kleiner, aus Holz oder Elfenbein geschnitzter Figuren, wie sie bei Fang-den-Herzog benutzt wurden, tummelten sich auf Lady Saljescas Spielfeld echte Menschen. Die Armen und Elenden bestückten den Platz, vierzig Personen an einer Seite, die weiße oder schwarze Überwürfe trugen, um sie unterscheiden zu können. Und wegen dieser abstrusen Beschäftigung riskierten sie den langen, beschwerlichen Marsch nach Salon Corbeau.
    Locke hatte bereits herausgefunden, dass hinter Lady Saljescas Stadion zwei große Kasernen standen, schwer bewacht, in denen die Hungerleider und Bedürftigen gleich nach ihrer Ankunft untergebracht wurden. Dort mussten sie sich erst einmal waschen, und für die Dauer ihres Aufenthaltes in Salon Corbeau, der endlos sein konnte, bekamen sie zwei einfache Mahlzeiten am Tag. Jeder »Kandidat«, wie diese Spielteilnehmer genannt wurden, erhielt eine Nummer. Dreimal pro Tag wurden nach dem Zufallsprinzip Nummern gezogen, um für den bevorstehenden Vergnügungskrieg zwei Mannschaften aus je vierzig Kandidaten zusammenzustellen. Die einzige Regel, die in diesem Krieg galt, besagte, dass die lebenden Figuren in der Lage sein mussten, zu stehen, sich zu bewegen und Befehlen zu gehorchen; die jüngsten Teilnehmer waren Kinder von acht oder neun Jahren. Wer sich weigerte mitzumachen, nachdem seine Nummer gezogen wurde, den warf man unverzüglich aus Saljescas Demi-Stadt hinaus, und er durfte nie wiederkommen. Ohne Proviant so mir nichts, dir nichts in dieser wüstenhaften Gegend auf die Straße gesetzt zu werden, kam unter Umständen einem Todesurteil gleich.
    Zwei Dutzend von Saljescas Leibwachen führten die Kandidaten in die Arena; bewaffnet waren die Wächter mit gewölbten Schilden und Stöcken aus lackiertem Holz. Es handelte sich durchweg um robust wirkende Männer und Frauen, selbstsichere Krieger, die sich ihre Kampferfahrung in schwierigen Einsätzen erworben hatten; selbst eine organisierte Rebellion der Kandidaten hätte gegen sie keine Chance. Die Wachen bugsierten die Kandidaten in ihre Ausgangspositionen auf dem Spielbrett; vierzig weiße »Figuren« und vierzig schwarze »Figuren« standen sich in zwei Doppelketten gegenüber, durch sechzehn Reihen aus Quadraten voneinander getrennt.
    An zwei entgegengesetzten Enden des Stadions gab es besondere Galerielogen, eine mit schwarzen, die andere mit weißen Seidenvorhängen drapiert. Um diese Logen reservieren zu können, musste man sich auf eine lange Warteliste setzen lassen, ähnlich wie Gäste eines Spielkasinos, die Billardtische oder private Räume zu bestimmten Zeiten für sich beanspruchen wollten. Jeder, der eine dieser Logen für sich ergattern konnte, erwarb sich das Recht, für die Dauer einer Schlacht eine der beiden Farben zu kommandieren.
    An diesem Vormittag war die Weiße Kriegsherrin eine junge Lashani-Vicomtesse, deren Gefolge ungeheuer nervös wirkte, während sie selbst vor Begeisterung überschäumte; der Pulk, der sie umgab, schien dauernd irgendwelche Notizen zu kritzeln und Tabellen zu Rate zu ziehen. Der Schwarze Kriegsherr, ein Iridani mittleren Alters, hatte den satten, berechnenden Blick eines wohlhabenden Kaufmanns. Neben ihm in seiner Loge saßen sein noch ziemlich junger Sohn und eine Tochter. Obwohl die lebenden Figuren (mit Zustimmung beider Spieler) mit speziellen Umhängen bekleidet werden konnten, die ihnen ungewöhnliche Privilegien oder Bewegungsabläufe zugestanden, so schienen die Regeln dieses speziellen Vergnügungskriegs dem einfachen Fang-den-Herzog zu entsprechen, ohne irgendwelche Variationen. Die Aufseher fingen an, Befehle zu rufen, und langsam entwickelte sich das Spiel, indem weiße und schwarze Figuren ängstlich aufeinander zu rückten, ganz allmählich die Entfernung zwischen den gegnerischen Parteien verringernd. Locke wunderte sich über die Reaktionen der Zuschauer.
    In jeder Loge saßen mindestens sechzig bis siebzig Gäste; hinzu kamen doppelt so viele Diener, Leibwächter, Gehilfen und Boten, ganz zu schweigen von den Bediensteten, die Saljescas Livree trugen und hin und her liefen, um Erfrischungen zu

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