Sturm ueber roten Wassern
sitzt genau hier zwischen meinem leeren Magen und meinem pickeligen weißen Arsch, den du von mir aus lecken darfst!«
»Ist ja gut«, wiegelte Locke ab. »Ich wollte nur herausfinden, ob man dich dazu provozieren kann, Fehler zu machen. Deine Selbstbeherrschung ist lobenswert. Aber wenn du wirklich Kasse machen willst, dann hiev uns hoch, sperr uns ein und verlang Lösegeld!«
»Wir sind keine unbedeutenden Leute«, legte Jean nach.
»Wir haben vermögende, einflussreiche Freunde«, setzte Locke noch eins drauf.
»Warum nimmst du uns nicht gefangen und lässt ihnen einen Brief mit deinen Forderungen zukommen?«
»Tja«, erwiderte der Mann, »erstens kann ich weder schreiben noch lesen.«
»Wir sind gern bereit, den Brief für dich zu verfassen.«
»Ich kann mir nicht recht vorstellen, wie das funktionieren soll. Sie könnten doch alles Mögliche schreiben, oder etwa nicht? Wie sollte ich das überprüfen? Vielleicht fordern Sie in dem Schrieb anstatt Gold Konstabler und Soldaten an, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich sage, ich kann nicht lesen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich Stroh im Kopf hab.«
»Immer mit der Ruhe! Nur nichts überstürzen!« Jean stemmte sich einen weiteren Fuß hoch und sicherte sich mit dem Abseilhaken. »Hört mal einen Moment mit diesem fruchtlosen Gezänk auf. Ich habe eine wichtige Frage.«
»Und die wäre?«
»Woher zur Hölle kommst du eigentlich?«
»Ach, ich bin überall und nirgends zu Hause, aber ursprünglich kam ich aus dem Bauch meiner Mutter«, erwiderte der Mann und fing wieder an zu hacken.
»Nun, ich wüsste gern, ob du dauernd bei diesen Klippen herumlungerst und nach Kletterern Ausschau hältst. So viele Sportler kommen doch wohl nicht hierher, dass es sich lohnen würde, ihnen aufzulauern.«
»Da haben Sie recht. Ihr zwei seid die ersten, die ich an dieser Stelle beim Klettern erwischt habe. Vor lauter Neugier musste ich euch einfach hinterherpirschen, ich wollte doch wissen, was ihr an diesem öden Ort so treibt. Und jetzt bin ich froh, dass ich euch nachgeschlichen bin.« Hack, back, back. »Aber im Ernst, die meiste Zeit versteck ich mich im Wald, manchmal auch in den Bergen. Ich beobachte die Straßen.«
»Ganz allein? Oder hast du Kumpel?«
»Ihr wärt schon längst zwei Fettflecken auf dem Talboden, wenn jemand bei mir wäre, der mir beim Hacken helfen würde.«
»Du beobachtest also die Straßen. Was raubst du denn aus? Kutschen?« »Meistens.«
»Besitzt du einen Bogen oder eine Armbrust?«
»Keins von beidem – leider. Aber vielleicht kauf ich mir eine Waffe, wenn ich an euren Sachen genug verdiene.«
»Du lauerst also in den Wäldern, mutterseelenallein, und hältst Kutschen an, ohne eine richtige Waffe?«
»Na ja«, erwiderte der Mann ein wenig zögernd, »es ist schon eine ganze Weile her, seit ich das letzte Mal eine ausgeraubt habe. Heute scheint mein Glückstag zu sein.«
»Das kann man wohl sagen. Beim Korrupten Wärter, du bist bestimmt der unfähigste Straßenräuber unter der Sonne.«
»Was haben Sie gerade gesagt?«
»Er sagte«, sprang Locke ein, »dass du seiner Meinung nach der unfähigste …«
»Nein. Ich meine das, was zuerst kam.«
»Er sprach von dem Korrupten Wärter«, erläuterte Locke. »Kennst du diesen Ausdruck? Wir gehören derselben Bruderschaft an, Freund! Der Wohltäter, der Beschützer der Diebe, der Namenlose Dreizehnte, der über dich, uns und alle anderen wacht, die auf krummen Pfaden durchs Leben gehen. Wir sind sogar eingesegnete Diener des Korrupten Wärters! Du und wir sind keine Feinde, sondern Verbündete. Es ist gar nicht nötig, dass du uns in den Tod schickst!«
»Oh doch, und wie es nötig ist!«, versetzte der Mann heftig. »Jetzt lasse ich euch erst recht abstürzen!«
»Was? Warum?«
»Weil ihr verdammte Ketzer seid, ihr zwei! Es gibt keinen Dreizehnten! Es gibt bloß die Zwölf Götter, das ist die Wahrheit! Oh ja, ich war ein paarmal in Tal Verrar und traf dort Gestalten, die mir was von diesem Namenlosen Dreizehnten vorschwafelten!
Davon halte ich nichts. Also geht es abwärts mit euch, Jungs!« Mit frischer Energie hackte der Kerl auf die Taue ein.
»Scheiße! Ob wir mal versuchen, ihn in die Sicherungsleinen zu verheddern?« Jean schwang sich neben Locke und zischelte eindringlich auf ihn ein. Locke nickte. Die beiden Diebe nahmen die Enden ihrer Sicherungsleinen in die Hand, spähten angestrengt nach oben, und auf Jeans geflüstertes Signal hin rissen sie sie mit einem
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