Sturm ueber roten Wassern
zu lassen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, werte Herren.« Der Mann rührte sich ein bisschen, und in seiner rechten Hand tauchte plötzlich eine Axt auf. »Das ist ja ein wunderhübsches Paar Beile, das ihr zu euren Klamotten gelegt habt. Alle Achtung. So was hab ich noch nie gesehen.«
»Es ist sehr nett, dass Sie das sagen!«, schrie Locke.
»Verdammte Scheiße«, knurrte Jean.
»Trotzdem möchte ich Sie darauf aufmerksam machen«, fuhr Locke fort, »dass unser Begleiter in der Kutsche bald zu uns stoßen wird, und er ist mit einer Armbrust bewaffnet.«
»Ach, Sie sprechen wohl von diesem bewusstlosen Burschen, dem ich einen Stein auf den Schädel gehauen habe. Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber der Typ war stockbesoffen.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. So viel Bier haben wir ihm nicht gegeben!«
»Nichts für ungut, aber dieses spillerige Bürschchen ist wahrscheinlich schon nach dem ersten Becher blau. Der besteht doch nur aus Haut und Knochen. Und jetzt schläft er den Schlaf der Gerechten. Außerdem hatte er keine Armbrust dabei, ich hab nachgesehen.«
»Tja, nehmen Sie es uns nicht übel, aber es war einen Versuch wert«, erwiderte Locke.
»Ich bin Ihnen nicht böse, wie käme ich dazu? Guter Trick, und das in Ihrer Situation.
Aber wenn Sie nichts dagegen haben, dann hätte ich gern gewusst, wo Ihre Börsen stecken.«
»Die tragen wir natürlich am Leib«, beschied ihm Locke. »Vielleicht lassen wir uns sogar dazu überreden, sie Ihnen auszuhändigen … aber wenn Sie sie wollen, dann müssen Sie uns schon beim Hochklettern helfen.«
»Also, was dieses Thema angeht«, meinte der Fremde, »da vertreten wir wohl unterschiedliche Standpunkte. Da ich jetzt weiß, dass Sie die Börsen bei sich haben, wäre es für mich das Einfachste, die Seile einfach durchzuhacken und das Geld ganz elegant unten am Boden einzusammeln.«
»Wenn Sie nicht ein erstklassiger Kletterer sind«, hielt Jean entgegen, »und mit Verlaub, Sie sehen nicht besonders sportlich aus, dann ist es ein verdammt großes Risiko, nur für unsere kleinen Börsen diese schwierige Wand runter und wieder raufzuklettern!«
»Und die Börsen sind wirklich sehr klein!«, bekräftigte Locke. »Unsere Kletterbörsen.
Spezialanfertigungen, die so leicht sind, dass sie uns nicht behindern. Es ist kaum was drin!«
»Für Sie mag der Betrag kaum der Rede wert sein, aber mir hilft er vielleicht über das Gröbste hinweg«, meinte der Fremde. »Im Übrigen brauche ich nicht zu klettern, um auf den Talboden zu gelangen. Es führt ein ganz bequemer Weg nach unten, man muss ihn nur kennen.«
»Äh … seien Sie nicht töricht«, ergriff Jean wieder das Wort. »Diese Taue bestehen aus Halbseide. Es wird eine Weile dauern, bis Sie sie durchgehackt haben. Ehe Sie damit fertig sind, sind wir längst oben.«
»Schon möglich«, räumte der Mann im Kapuzenmantel ein. »Aber wenn Sie über die Kante kraxeln, bin ich ja auch noch da, oder? Ich kann Ihnen eins mit der Axt überziehen und aus Ihren Schädeln Suppenschüsseln machen.«
»Wenn wir nichts unternehmen, sterben wir auch, also haben wir nichts zu verlieren.
Besser hochklettern und im Kampf zu Tode kommen«, versetzte Locke.
»Wie Sie wollen, werte Herren. Das Gespräch fängt an, sich im Kreis zu drehen, wenn ich mich mal so ausdrücken darf. Deshalb fang ich jetzt an, das Seil durchzuhacken.
Ich an Ihrer Stelle würde mich in mein Schicksal ergeben und schön den Mund halten.«
»Du mieses Arschloch!«, brüllte Locke. »Ein dreijähriges Kind kann erwachsene Männer ermorden, die hilflos an einem Seil von einer Klippe hängen. Es gab mal eine Zeit, da hatte ein Bandit den Mumm, sich mit uns in einem ehrlichen Kampf zu messen und sich seine Beute zu verdienen!«
»Sehe ich aus wie ein rechtschaffener Kaufmann? Habe ich vielleicht Gildezeichen auf meine Arme tätowiert?« Der Kerl kniete sich hin und fing an, mit einer von Jeans Äxten stetig auf etwas einzuhacken. »Euch zwei am Fuß der Klippen zu zerschmettern scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein, etwas dazuzuverdienen. Und je mehr ihr mich anschnauzt, umso mehr Spaß macht es mir.«
»Du dreimal verfluchter Bastard!«, schrie Locke. »Abschaum! Räudiger Köter! Du bist nicht nur geldgierig, sondern auch noch feige! Die Götter spucken auf ehrlose Leute wie dich, weißt du das! Für dich ist die kälteste und finsterste Hölle reserviert!«
»Ich hab genug Ehre, werter Herr. So viel, dass ich fast schon daran ersticke. Sie
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