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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Die zweite Kutsche, in der die vier in Salon Corbeau angefertigten Stühle befördert wurden, hielt klappernd hinter der ersten. Die grauen Pferde, welche die Fuhrwerke zogen, stampften mit den Hufen und schnaubten nervös, als gefielen ihnen die Küchendünste nicht. Ein vierschrötiger Angestellter des Sündenturms mit schütterem Haar eilte auf Locke zu und verbeugte sich.
    »Meister Kosta«, salbaderte er, »bitte um Vergebung, aber das ist der Servicehof. Wir können Sie hier nicht im üblichen Stil empfangen; der Vordereingang wäre viel angemessener …«
    »Ich bin hier richtig.« Locke legte eine Hand auf die Schulter des Mannes und steckte ihm fünf Silbervolani in die Westentasche, wobei er die Münzen klimpern ließ, als sie aus seiner Hand rutschten. »Finden Sie Selendri, so schnell Sie können.«
    »Finden … äh … also …«
    »Selendri. Sie ist nicht zu übersehen. Und bringen Sie sie hierher.«
    »Äh … ja, Meister Kosta. Selbstverständlich!«
    Die nächsten fünf Minuten verbrachte Locke damit, vor seiner Kutsche auf und ab zu spazieren, während die Fechterin sich bemühte, lässig auszusehen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass er sich nicht zu weit von dem Fuhrwerk entfernte. Bestimmt würde niemand so töricht sein, ihn hier anzugreifen, dachte er – nicht mit fünf Leuten, die ihn bewachten, und obendrein im Zentrum von Requins Machtbereich. Nichtsdestotrotz atmete er auf, als Selendri endlich durch den Service-Eingang trat; sie trug ein flammenfarbenes Abendkleid, und wo sich die Orangetöne auf ihrer künstlichen Hand spiegelten, sah das Messing wie geschmolzen aus .
    »Kosta«, begann sie. »Welchem Umstand verdanke ich diese Störung?«
    »Ich muss Requin sehen.«
    »Aha, aber muss Requin Sie sehen?«
    »Unbedingt«, erwiderte Locke. »Bitte. Ich muss ihn persönlich sprechen. Und ich benötige ein paar Ihrer kräftigeren Angestellten – ich habe Geschenke mitgebracht, die mit äußerster Vorsicht behandelt werden müssen.«
    »Geschenke?«
    Locke bedeutete ihr, an die zweite Kutsche heranzutreten, und öffnete die Tür.
    Selendri warf Lockes Leibwache einen raschen Blick zu, und während sie anschließend den Inhalt der Kabine in Augenschein nahm, streichelte sie mit der unversehrten Hand unentwegt ihre Messingprothese.
    »Glauben Sie wirklich, dass dieser offenkundige Bestechungsversuch die Lösung für Ihre Probleme darstellt, Meister Kosta?«
    »Sie verstehen das falsch, Selendri. Es ist eine ziemlich lange Geschichte. Requin täte mir einen großen Gefallen, wenn er diese Stühle annähme. Ihm steht ein ganzer Turm zur Verfügung, wo er sie aufstellen könnte, ich hingegen muss mich mit einer gemieteten Suite und einem Lagerraum begnügen.«
    »Interessant.« Sie schloss die Tür der Kutsche, drehte sich um und schickte sich an, zum Turm zurückzugehen. »Ich brenne darauf, Ihre Geschichte zu hören. Kommen Sie mit mir. Ihre Begleiter bleiben natürlich hier.«
    Die Fechterin sah aus, als wollte sie protestieren, deshalb schüttelte Locke energisch den Kopf und deutete mit strenger Miene auf die erste Kutsche. Der giftige Blick, den sie ihm daraufhin zuwarf, ließ ihn beinahe erschauern; er war froh, dass die Frau an den Befehl gebunden war, ihn zu beschützen.
    Im Inneren des Sündenturms gab Selendri dem vierschrötigen Diener ein paar geflüsterte Anweisungen, dann lotste sie Locke durch die übliche geschäftige Menge bis zur Servicezone im dritten Stock. Kurz darauf befanden sie sich in der engen, finsteren Zelle des Fahrstuhls und stiegen langsam zur neunten Etage empor. Locke war ehrlich überrascht, als er spürte, wie Selendri sich ihm zuwandte.
    »Sie haben sich da eine interessante Leibwächterin zugelegt, Meister Kosta. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie ein Allsehendes Auge des Archonten engagieren.«
    »Äh … das ist mir auch neu. Ich hatte einen vagen Verdacht, aber keine Gewissheit.
    Was macht Sie so sicher?«
    »Die Tätowierung auf ihrem Handrücken. Ein lidloses Auge im Herzen einer Rose.
    Wahrscheinlich ist die Frau nicht daran gewöhnt, in der Öffentlichkeit Zivilkleidung zu tragen; sie hätte Handschuhe überziehen müssen.«
    »Sie müssen ja sehr scharfe Augen haben … äh … ein sehr scharfes Auge.
    Entschuldigung, Sie wissen schon, was ich meine. Ich habe die Tätowierung sogar gesehen, mir aber weiter keine Gedanken darüber gemacht.«
    »Die wenigsten Leute kennen das Emblem.« Sie wandte sich wieder von ihm ab. »Ich hatte so eines auf

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