Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
Vom Netzwerk:
seine alte Schulterverletzung. »Hoffentlich versetzen die Stühle ihn in eine wohlwollende Stimmung. Wenn nicht, kriegst du die Rechnung für das Säubern des Pflasters unter dem Sündenturm – nachdem Requins Putzkolonne mein Gehirn von den Pflastersteinen gekratzt hat.«
    Als die Rudergasten das Boot schließlich längsseits des Savrola-Kais pullten, wo eine Kutsche und mehrere Wachen warteten, verließ Merrain ihren Platz im Bug und begab sich nach achtern zu Locke und Jean.
    »Morgen früh zur siebenten Stunde«, sagte sie. »Eine Kutsche holt Sie von der Villa Candessa ab. Aus Sicherheitsgründen werden wir in den kommenden Tagen Ihre Bewegungen variieren. Bleiben Sie heute Abend in Ihrer Herberge.«
    »Das geht nicht«, widersprach Locke. »Ich habe eine wichtige Verabredung auf der Goldenen Treppe.«
    »Sagen Sie sie ab.«
    »Zur Hölle mit Ihnen. Wie wollen Sie mich daran hindern, meinen Geschäften nachzugehen?«
    »Sie werden sich noch wundern.« Merrain rieb sich die Schläfen, als fühle sie, dass sich Kopfschmerzen anbahnten, dann stieß sie einen Seufzer aus. »Und Sie können diese Verabredung ganz bestimmt nicht abblasen?«
    »Wenn ich das täte, dann dauert es nicht lange, bis die betreffende Person, die im Sündenturm mit meinem Erscheinen rechnet, uns abbläst«, führte Locke aus. »Sie wissen schon, wen ich meine.«
    »Wenn Sie sich wegen Requin Sorgen machen«, erwiderte sie, »dann kann ich es leicht bewerkstelligen, dass Sie in der Schwert-Marina eine Unterkunft finden. Dort sind Sie für ihn unerreichbar; Sie befänden sich in Sicherheit, bis Ihre Ausbildung beendet ist.« »Jerome und ich haben uns zwei Jahre lang in dieser beschissenen Stadt vergraben und viel Arbeit in unsere Pläne mit Requin investiert«, erklärte Locke. »Wir beabsichtigen, sie in die Tat umzusetzen. Der heutige Abend ist ein kritischer Zeitpunkt.« »Dann machen Sie, was Sie wollen. Aber falls etwas schiefgeht, nehmen Sie es auf Ihre eigene Kappe. Ich kann eine Kutsche mit ein paar meiner Leute schicken. Reicht es, wenn sie in zwei Stunden bei Ihnen ist?«
    Locke grinste. »Am besten, Sie schicken gleich zwei Kutschen los. Eine für mich, eine für das Gepäck.« »Treiben Sie es nicht zu weit …«
    »Entschuldigung«, fiel Locke ihr ins Wort, »aber kommt das Geld für all diese Vorsichtsmaßnahmen aus Ihrer Tasche? Wenn Sie mich unbedingt beschütze n und mit Ihren Agenten umgeben wollen … na schön, von mir aus. Ich bin einverstanden. Schicken Sie einfach zwei Kutschen. Ich verspreche Ihnen, ich werde mich gut benehmen.«
    »Also gut«, gab sie nach. »In zwei Stunden stehen die Kutschen für Sie bereit. Aber keine Minute früher.«

4
     
     
    Der westliche Horizont hatte die Sonne verschluckt, und die beiden Monde, die am wolkenlosen Himmel standen, schimmerten in einem weichen, rötlichen Licht, wie in Rotwein getauchte Silbermünzen. Der Kutscher ihres Gefährts klopfte dreimal auf das Dach der Kabine, um ihre Ankunft beim Sündenturm zu melden; Locke, der den Fenstervorhang ein wenig gelüftet hatte, um nach draußen zu spähen, zog ihn wieder ganz zu.
    Es hatte lange gedauert, bis die beiden Kutschen sich aus der Savrola herausgefädelt, die Große Galerie passiert und sich im dichten Verkehr bis zur Goldenen Treppe durchgearbeitet hatten. Locke ertappte sich dabei, wie er abwechselnd gähnte und die holperige Fahrt verwünschte. Seine Begleiterin, eine schlanke Fechterin mit einem abgenutzten Rapier auf dem Schoß, saß ihm gegenüber, ohne ihm die geringste Beachtung zu schenken.
    Nun, da die Kutsche mit einem Ruck zum Stehen kam, sprang sie vor ihm hinaus, ihre Waffe unter einem wadenlangen blauen Mantel verborgen. Nachdem sie sich in der warmen Nacht argwöhnisch umgeblickt hatte, gab sie Locke wortlos einen Wink, ihr zu folgen. Auf Lockes Anweisung hin war der Kutscher auf die kopfsteingepflasterte Zufahrt abgebogen, die in einen Hof hinter den Sündenturm führte. Hier befanden sich in einigen umfunktionierten Steinhäusern die Hauptküchen und Lebensmittellager. Im Lichtschein roter und goldener Laternen, die an unsichtbaren Seilen hingen, eilten Bedienstete des Sündenturms scharenweise hin und her – sie transportierten üppige Speisen in das Kasino und kamen mit leeren Tabletts zurück. In der Luft hing das Aroma stark gewürzter Fleischgerichte.
    Lockes Leibwache sah sich unentwegt um, desgleichen die beiden Soldaten auf dem Wagen, die beide in unauffällige Kutschermäntel gekleidet waren.

Weitere Kostenlose Bücher