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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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pullen, während Caldris unermüdlich rief: »Hart backbord! Riemen streichen! Hart steuerbord!« Zusätzlich bombardierte er sie mit einem Dutzend weiterer Kommandos, die völlig willkürlich schienen. Dauernd verlagerte der Segelmeister sein Gewicht, nach links und rechts, nach vorn und zur Mitte, um sie zum Gegensteuern zu zwingen, damit sie nicht kenterten. Das Ganze wurde noch dadurch verkompliziert, dass zwischen Jeans und Lockes Schlägen ein gewaltiger Unterschied bestand; die von Jean waren wesentlich kraftvoller, und sie mussten scharf aufpassen, um nicht ständig nach steuerbord einzuschwenken. Sie schufteten so lange und so konzentriert, dass Locke überrascht zusammenfuhr, als Caldris ihnen endlich zurief, sie sollten aufhören zu pullen.
    »Nicht schlecht für den Anfang, ihr verdammten Grünschnäbel.« Caldris räkelte sich und gähnte. Die Sonne näherte sich dem Zenit. Lockes Arme fühlten sich an wie durch die Mangel gedreht, seine Tunika war völlig durchgeschwitzt, und er wünschte sich, er hätte zum Frühstück weniger Kaffee getrunken, dafür etwas mehr gegessen. »Ihr seid schon ein bisschen besser als vor zwei Stunden, das muss ich euch lassen. Aber mehr auch nicht. Ihr müsst über steuerbord und backbord, vorn und achtern, Boote und Riemen so gut Bescheid wissen, als solltet ihr jemandem erklären, wie lang und dick euer Pimmel ist. Auf See gilt es, immer auf alles gefasst zu sein, jederzeit sein Bestes zu geben. Für langes Überlegen bleibt da keine Zeit.«
    Der Segelmeister holte ein Mittagessen aus einem im Bug verstauten Ledersack, und während sie den Proviant verputzten, genossen sie es, wie die Jolle mitten in der geschlossenen Bucht dahintrieb. Die Männer teilten sich Schwarzbrot und Hartkäse, während das Kätzchen aus dem Korb gelassen wurde und in Windeseile einen Klacks Butter aus einer Steinschale schleckte. Der Weinschlauch, den Caldris herumreichte, enthielt »rosa Wasser«, warmes Regenwasser mit gerade mal genug billigem Roten vermischt, um den schalen Ledergeschmack ein wenig zu überdecken. Caldris gönnte sich nur ein paar Schluck, doch die beiden Diebe tranken den Schlauch im Nu leer.
    »Unser Schiff wartet also hier irgendwo in der Nähe auf uns«, begann Locke, nachdem er seinen Durst vorläufig gelöscht hatte, »aber woher kriegen wir eine Mannschaft?«
    »Eine gute Frage, Kosta. Ich wünschte, ich wüsste die Antwort. Der Archont sagte nur, man würde sich um diese Angelegenheit kümmern, mehr nicht.«
    »Ich dachte mir, dass Sie so etwas sagen würden.«
    »Es hat keinen Sinn, uns über etwas Gedanken zu machen, was wir im Augenblick ohnehin nicht ändern können«, meinte Caldris. »Diese Dinge liegen außerhalb unseres Einflussbereichs.« Der Segelmeister hob das Kätzchen hoch, das sich immer noch die fettige Nase und die Pfoten leckte, und setzte es mit überraschender Zärtlichkeit in den Korb zurück. »Jetzt habt ihr also ein bisschen Pullen geübt. Ich gebe den Männern oben Bescheid, dass sie das Tor öffnen sollen, übernehme das Ruder, und wir fahren aufs freie Wasser hinaus. Mal sehen, ob wir genug Wind einfangen können, dass es sich lohnt, ein Segel zu setzen. Ist Geld in den Sachen, die ihr am Ufer gelassen habt?«
    »Ein bisschen«, erwiderte Locke. »Vielleicht zwanzig Volani. Warum?«
    »Dann wette ich mit euch um zwanzig Volani, dass ihr zwei das Boot mindestens einmal zum Kentern bringt, ehe die Sonne untergeht.«
    »Ich dachte, Sie seien dazu da, uns beizubringen, wie man es richtig macht.«
    »So ist es auch. Und verlasst euch drauf, ich nehme meine Aufgabe verflucht ernst!
    Aber ich kenne Segelanfänger einfach zu gut. Wenn ihr auf die Wette eingeht, gehört das Geld praktisch schon mir. Zur Hölle, ich setze einen ganzen Solari gegen eure zwanzig Silbermünzen, wenn ich nicht recht behalte.«
    »Ich bin dabei«, meinte Locke. »Und du, Jerome?«
    »Wir haben das Kätzchen und einen Blutschwur auf unserer Seite«, erwiderte Jean. »Es wird Ihnen noch leidtun, dass Sie uns so unterschätzen, Segelmeister.«

3
     
     
    Anfangs war es erfrischend gewesen, in klatschnasser Tunika und Hose weiterzumachen. Natürlich erst, nachdem sie die Jolle aufgerichtet und das Kätzchen vor dem Ertrinken gerettet hatten.
    Doch nun ging die Sonne unter und warf einen goldenen Schein um die dunklen Umrisse der Brustwehren und Türme über der Schwert-Marina; die sanfte Brise, die über den Hafen strich, brachte Locke trotz der brütend heißen Sommerluft

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