Sturm ueber roten Wassern
anzunehmen – im Klartext heißt das, er soll uns helfen, in Ihren Tresor einzubrechen.«
»Was macht so ein Mann in Port Prodigal?« »Ich nehme an, er versteckt sich dort.« Locke merkte, wie seine Mundwinkel sich nach oben zogen, und er unterdrückte den Impuls, von einem Ohr zum anderen zu grinsen. Die alte, wohlvertraute Hochstimmung ergriff wieder von ihm Besitz. Alles lief wie am Schnürchen; sobald erst einmal eine Große Lüge in die Welt gesetzt worden war, schien sie ganz von selbst zu wachsen und brauchte nur noch ein bisschen Pflege, um an die jeweilige Situation angepasst zu werden. »Stragos behauptet, die Gilde der Kunsthandwerker habe mehrmals versucht, ihn umbringen zu lassen. Er ist ihr erklärter Feind. Wenn es diesen Mann wirklich gibt, dann ist er für jeden ehrlichen Mechaniker ein Schlag ins Gesicht.«
»Merkwürdig, dass ich noch nie von ihm gehört habe«, sinnierte Requin. »Oder dass sich noch nie jemand mit der Bitte an mich gewandt hat, ihn zu finden und aus dem Weg zu räumen.«
»Wenn Sie der Zunft der Kunsthandwerker angehörten«, erwiderte Locke, »würden Sie dann jemanden auf diesen Kerl aufmerksam machen, der das Wissen um die außergewöhnlichen Fähigkeiten dieses Mannes höchstwahrscheinlich dazu benutzt, sich selbst dieser Talente zu bedienen?«
»Hmmm.«
»Zur Hölle.« Locke kratzte sich am Kinn und tat so, als dächte er angestrengt nach.
»Möglicherweise ist doch schon jemand an Sie herangetreten und hat Sie gebeten, ihn kaltzustellen. Er nannte nur einen anderen Namen und verschwieg, wozu dieser Mann auf technischem Gebiet fähig ist.«
»Ich begreife nur nicht, warum der Archont, der über massenhaft Spitzel verfügt, ausgerechnet Sie und Jerome …«
»Wer sonst würde garantiert zurückkommen oder sein Leben aufs Spiel setze n, um diesen Mann zu einer Reise nach Tal Verrar zu bewegen?«
»Ach ja … dieses vorgebliche Gift, das der Archont Ihnen verabreicht haben will.«
»Wir haben höchstens zwei Monate, um diesen Auftrag zu erfüllen.« Locke seufzte.
»Stragos ermahnte uns, nicht zu trödeln. Wenn wir nicht rechtzeitig wieder hier sind, bekommen wir Gelegenheit herauszufinden, wie tüchtig sein persönlicher Alchemist ist.«
»Der Dienst für den Archonten scheint nicht ganz einfach zu sein, Leocanto.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen. Als er bloß unser unbekannter Zahlmeister war, fand ich ihn wesentlich sympathischer.« Locke ließ die Schultern kreisen und spürte, wie seine überstrapazierten Rückenmuskeln schmerzten. »Wir brechen innerhalb eines Monats auf. Im Übrigen hängen unsere Segelübungen mit diesem Auftrag zusammen.
Wir mischen uns unter die Besatzung eines unabhängigen Handelsschiffs, doch zuvor bekommen wir ein bisschen nautisches Training, damit wir nicht sofort als die Landratten auffallen, die wir nun mal sind. Bis zu unserer Rückkehr können wir es uns also nicht leisten, uns die Nächte an Spieltischen um die Ohren zu schlagen.«
»Sie erwarten, dass Sie mit Ihrer Mission Erfolg haben?«
»Offen gestanden, nein, aber egal, wie die Sache ausgeht, ich komme auf jeden Fall zurück. Schon möglich, dass Jerome unterwegs einen ›Unfall‹ hat. Wie auch immer, unsere Kleidung lagern wir in der Villa Candessa. Und jeder Centira, den wir unser Eigen nennen, bleibt auf unserem Konto, das wir bei Ihnen führen. Wenn Sie so wollen, dürfen Sie mein Geld und das von Jerome als Garantie dafür betrachten, dass wir zurückkommen.«
»Und wenn Sie dann wieder hier sind«, ergänzte Selendri, »bringen Sie vielleicht einen Mann mit, der imstande ist, den Plan des Archonten in die Tat umzusetzen.«
»Sollte das der Fall sein«, entgegnete Locke, »dann werde ich diesen Burschen zuerst Ihnen vorstellen. Vermutlich möchten Sie ihm klipp und klar eröffnen, dass es seiner Gesundheit zuträglicher wäre, auf ein Gegenangebot von Ihrer Seite einzugehen.«
»Ganz bestimmt«, pflichtete Requin ihm bei.
»Dieser Callas«, fuhr Locke fort, wobei er einen erregten Unterton in seine Stimme legte, »könnte entscheidend dazu beitragen, dass wir Stragos über den Tisch ziehen.
Vielleicht ist er ein noch abgefeimterer Verräter als ich.«
»Das wage ich zu bezweifeln, Meister Kosta«, gab Selendri trocken zurück. »Einen eifrigeren Wendehals als Sie kann ich mir nicht vorstellen.«
»Sie wissen verdammt gut, warum ich zu diesen Mitteln greife«, wehrte sich Locke.
»Aber lassen wir das. Bis jetzt lässt Stragos uns noch weitgehend im
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