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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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zerstörten die Kaianlagen. Alles wurde in Brand gesteckt und die Asche noch einmal ausgeglüht. Danach konnte man den Namen Montierre getrost aus den Karten streichen, es war, als hätte es diese Ansiedlung nie gegeben. Und es lohnt sich nicht, die Stadt wieder aufzubauen.« »Und was geschah mit Hoffnung-auf-Silber?«
    »Hoffnung-auf-Silber«, wiederholte Caldris und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Vor fünfzig Jahren war Hoffnung-auf-Silber größer als Port Prodigal. Die Siedlung lag auf einer anderen Insel weiter westlich. Eine wohlhabende Stadt. Das Silber wurde tatsächlich geschürft, es blieb nicht nur bei der Hoffnung auf einen Fund. Ungefähr dreihundert Familien lebten dort. Doch dann ist etwas passiert, und zwar in einer einzigen Nacht. Diese dreihundert Familien … verschwanden einfach.« »Verschwanden? Wie ist das zu verstehen?«
    »Nun, sie waren plötzlich weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Leichen wurden nirgendwo gefunden, im ganzen Ort nicht. Nicht mal ein Knochen, an dem die Vögel hätten herumpicken können. Etwas kam von den Bergen dort herunter, aus dem Nebel, der über dem Dschungel hängt – nur die Götter wissen, was es war, aber es nahm alle Menschen mit.« »Zur Hölle noch mal, so was gibt’s doch nicht!«
    »Doch, das gibt es wohl«, beharrte Caldris. »Nach diesem Ereignis suchten ein paar Schiffe in den Gewässern um die Insel nach Spuren. Man fand ein Schiff aus der Stadt selbst, das vor dem Ufer trieb, als sei es in großer Hast auf See gebracht worden.
    Darauf entdeckte man dann Tote, die einzigen Leichname, die nach der Katastrophe zurückgeblieben waren. Es handelte sich um Matrosen, allesamt in den höchsten Spitzen der Masten.« Caldris seufzte. »Sie hatten sich dort festgebunden, um dem zu entgehen, was sich unten abspielte … und ein jeder war durch eigene Hand gestorben.
    Lieber begingen sie Selbstmord, als sich dem zu stellen, was auf sie zukam.
    Sehen Sie sich diese Szene gut an, Meister Kosta.« Caldris deutete auf die Schar fröhlicher und ausgelassener Seeleute, die sich betranken und im Schein von alchemischen Kugeln Messer warfen. »Sie segeln auf einem Meer, wo Dinge, wie ich sie Ihnen eben beschrieben habe, vorkommen. Vielleicht verstehen Sie jetzt, wie wichtig es ist, aus Ihrem Schiff ein glückliches Zuhause zu machen.«

14
     
     
    »Auf ein Wort, Käpt’n Ravelle.«
    Ein Tag war vergangen. Die Luft war immer noch warm, und wenn die Sonne hinter den Wolken hervorkam, brannte sie glühend heiß herunter, doch die Wellen gingen höher, und die Brise hatte aufgefrischt. Die Roter Kurier war ein zu kleines Schiff, um sich glatt durch die Wogen zu pflügen, ohne dass der Rumpf beunruhigend krängte, und bald betrachtete Locke das Deck unter seinen Füßen als seinen ganz persönlichen Feind.
    Jabril – der sich von seinem Rendezvous mit der Weinflasche erholt hatte – und zwei ältere Matrosen näherten sich Locke, als er nachmittags an der Steuerbordreling stand, sich krampfhaft festhielt und dabei versuchte, möglichst gelassen zu erscheinen. Jabrils Begleiter gehörten zu den Seeleuten, die sich zu Beginn der Reise zu schwach gefühlt hatten, um ihren Dienst zu tun; die Tage der Ruhe und das reichhaltige Essen hatten ihnen gutgetan. Da die geplante Sollstärke der Besatzung nicht erfüllt worden war, hatte Locke veranlasst, zu jeder Mahlzeit größere Portionen auszuteilen, ein Befehl, der zu seiner Beliebtheit beigetragen hatte.
    »Was brauchst du, Jabril?«
    »Katzen, Käpt’n.«
    Locke hatte das Gefühl, in ein bodenloses Loch zu stürzen. Mit einer heroischen Anstrengung gelang es ihm, lediglich verwirrt auszusehen. »Was ist damit?«
    »Wir waren unten auf dem Hauptdeck«, ergriff einer der älteren Matrosen das Wort.
    »Die meiste Zeit haben wir geschlafen. Aber bis jetzt haben wir noch keine einzige Katze gesehen. Normalerweise schleichen die kleinen Racker dort herum, stellen allen möglichen Unfug an, und wenn wir uns zum Schlafen hinlegen, springen sie uns auf den Bauch, rollen sich zusammen und fangen an zu schnurren.«
    »Ich habe mich umgehört«, ergänzte Jabril. »Niemand von der Mannschaft hat hier an Bord eine Katze zu Gesicht bekommen. Weder auf dem Hauptdeck, noch hier oben, und auch nicht auf dem Orlop. Nicht mal in der Bilge wurde eine gesehen. Was ist los, Käpt’n? Verstecken Sie die Katzen in Ihrer Kajüte?«
    »Nein«, erwiderte Locke, während ihm siedend heiß die acht Katzen (einschließlich des Kätzchens, das

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