Sturm ueber roten Wassern
Caldris gehörte) einfielen, die zufrieden in einem leeren Waffenschuppen über ihrer privaten Bucht in der Schwert-Marina hausten. In aller Deutlichkeit sah er wieder die acht Tiere vor sich, wie sie sich fauchend und miauend um Schalen voller Sahne und Platten mit kaltem gebratenem Hähnchen balgten.
Zweifellos tummelten sich diese acht Katzen immer noch in dem Schuppen, in den man sie eingesperrt hatte, damit er sie auf ihre schicksalhafte Reise mitnehmen konnte.
Doch abgelenkt durch die Ereignisse, die sich in der Nacht, als sie die Leinen loswarfen, auf dem Amwind-Felsen abspielten, hatte er diese acht Glücksbringer total vergessen. Und seit dem Auslaufen der Roter Kurier waren fünf Tage vergangen, in denen sie siebenhundert Meilen zurückgelegt hatten.
»Ich habe für diese Reise Kätzchen besorgt, Jabril«, entgegnete er hastig. »Ein ganzes Rudel sogar, aber es sind noch sehr junge Tiere. Ich dachte mir, zu einem Schiff mit einem neuen Namen gehörten Katzen, die sozusagen auch neu auf der Welt sind. Doch eines sage ich dir, die Biester sind verdammt scheu – seit ich sie auf dem Orlopdeck ausgesetzt habe, habe ich keine mehr gesehen. Wahrscheinlich müssen sie sich erst an uns gewöhnen. Warte nur ab, bald streichen sie uns um die Beine, bis wir über sie stolpern.«
»Aye, Käpt’n.« Locke staunte, wie erleichtert die drei Matrosen auf seine Worte reagierten, »Das ist eine gute Nachricht. Es ist schon schlimm genug, dass keine Frauen an Bord sind, bis wir den Geisterwind-Archipel erreichen; auch noch ohne Katzen zu segeln würde glatt eine Katastrophe heraufbeschwören.«
»Eine solche Beleidigung würde sich der Herr der Gierigen Wasser niemals gefallen lassen«, wisperte einer der älteren Männer.
»Wir legen jetzt jede Nacht ein paar Brocken Fleisch aus«, versprach Jabril. »Und wir durchkämmen die Decks. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald wir ein Kätzchen finden.«
»Unbedingt«, erwiderte Locke.
Nachdem sich die Männer entfernt hatten, hätte er sich am liebsten über die Reling gebeugt und sich übergeben; aber diesmal war nicht Seekrankheit die Ursache für die plötzliche Übelkeit.
15
Am Abend des fünften Tages auf See setzte sich Caldris zu einem Gespräch unter vier Augen in Lockes Kajüte; die Tür war fest verschlossen.
»Wir kommen zügig voran, alles läuft bestens«, erklärte der Segelmeister, doch Locke sah die dunklen Ringe unter seinen Augen. Seit sie in See gestochen waren, hatte der alte Mann kaum geschlafen, weil er weder Locke noch Jean ohne Aufsicht das Ruder überlassen wollte. Schließlich hatte er sich einen ganz passablen Schiffersmaat herangezogen, den Kahlen Mazucca; auf den Burschen war Verlass, aber von Navigation hatte er nicht viel Ahnung, und neben seiner Aufgabe, das Schiff zu steuern, fand Caldris nur wenig Zeit, um ihm etwas beizubringen. Sie hatten jedoch weiterhin das Glück, dass die Besatzung sich insgesamt vorbildlich verhielt. Nach ihrer Befreiung aus dem Gefängnis gierten die Männer nach Arbeit jedweder Art. Unter ihnen befanden sich ein halbwegs brauchbarer Zimmermann und ein recht ordentlicher Segelmacher; einen von Jabrils Freunden hatte man in einer Anwandlung von Optimismus zum Quartiermeister ernannt, dem es oblag, die erbeuteten Prisen – wenn es denn so weit war – dem Wert nach abzuschätzen und gerecht zu verteilen. Die Kränklichen kamen rasch wieder zu Kräften, und ein paar der Matrosen, die als halbe Leichen an Bord gekommen waren, gingen bereits Wache. Seit Kurzem scharten sich die Männer nicht mehr in jeder freien Minute zusammen, um nervös über das Kielwasser des Schiffs zu starren, auf der Suche nach irgendwelchen Anzeichen dafür, dass sie verfolgt wurden. Sie schienen zu glauben, dass sie sich Stragos’ Rache erfolgreich entzogen hatten … Natürlich durften sie nie erfahren, dass der Archont selbst für ihre Freilassung gesorgt hatte.
»Das ist allein Ihr Verdienst«, lobte Locke und klopfte Caldris auf die Schulter. Er merkte immer deutlicher, wie viel Kraft dieses Unterfangen dem alten Segelmeister abverlangte. Mazuccas Ausbildung musste unbedingt beschleunigt werden, und er und Jean mussten sich noch mehr Kenntnisse aneignen, um Caldris wenigstens zeitweise entlasten zu können. »Selbst bei dieser ruhigen See und den günstigen Winden wären wir ohne Sie nie so weit gekommen.«
»Es zieht schweres Wetter auf«, orakelte Caldris. »Ein ordentlicher Sturm, der uns gewaltig auf die Probe stellen
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