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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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wird.
    Wie ich schon sagte, muss man am Ende des Sommers mit allem rechnen. Wenn es ganz dick kommt, weht es so heftig, dass es einen um die halbe Welt verschlägt. Tagelang reitet man den Sturm mit kahlen Masten ab, und die Sturzseen sind so mächtig, dass es im ganzen Schiff keinen trockenen Raum mehr gibt.« Der Segelmeister seufzte und sah Locke lauernd an. »Übrigens – in den letzten Tagen sind mir ein paar verdammt merkwürdige Dinge zu Ohren gekommen.« »Tatsächlich?« Locke bemühte sich, einen leichtherzigen Ton anzuschlagen. »Bis jetzt wurde auf keinem der Decks eine Katze gesehen. Die Männer haben Fleisch, Bier, Milch und Eier als Köder ausgelegt – nichts wurde angerührt.« Argwöhnisch runzelte er die Stirn. »Es gibt doch Katzen an Bord … oder?«
    »Äh …«, entfuhr es Locke. Seine aufrichtige Sympathie für Caldris drückte wie eine schwere Last auf seinem Herzen. Ausnahmsweise einmal wollte ihm keine Lüge über die Lippen kommen, und verlegen rieb er sich die Augen, als er dann mit der Wahrheit herausrückte. »Äh … nein, die Katzen tollen immer noch putzmunter in dem Schuppen der Schwert-Marina herum, in dem ich sie untergebracht hatte, um sie vor dem Auslaufen abzuholen. Tut mir leid, aber ich habe sie glatt vergessen.« »Sie machen Witze«, entgegnete Caldris mit tonloser Stimme. »Kommen Sie, lügen Sie mich nicht an! Das ist kein Thema, worüber man sich lustig macht.«
    »Ich belüge Sie nicht.« Locke spreizte die Finger und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, dass Sie mir eingeschärft hatten, wie wichtig es sei, Katzen an Bord zu nehmen.
    Aber ich … in dieser Nacht war ich so beschäftigt und hatte an so viel zu denken, dass ich es glatt verschwitzt habe, die Tiere aus dem Schuppen zu holen.«
    »Wichtig? Ich sagte, es sei wichtig ? Verdammt noch mal, ich sagte, dass unser Leben davon abhinge!« Caldris sprach mit Flüsterstimme, doch es klang, als zische Wasser auf heißen Kohlen. Locke zuckte zusammen. »Sie haben unsere Seelen in Gefahr gebracht, Meister Kosta, unsere verfluchten Seelen. Auf diesem Schiff gibt es keine Frauen, keine Katzen und keinen richtigen Kapitän – und es dauert nicht mehr lange, bis ein Sturm losbricht!«
    »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut – ehrlich.«
    »Es tut Ihnen leid! Grundgütige Götter! Ich war blöd, einen Landlubber loszuschicken, um Katzen zu besorgen. Ich hätte lieber Katzen losschicken sollen, die mir einen Landlubber bringen. Die hätten mich nicht enttäuscht.«
    »Sobald wir Port Prodigal erreichen …«
    »Die Frage ist, ob wir überhaupt dort ankommen, Leocanto, denn lange, ehe wir in Prodigal anlegen, wird die Mannschaft spitzgekriegt haben, dass auf diesem Schiff etwas fehlt. Sie können den Männern nicht ewig weismachen, die Katzen wären scheu.
    Irgendwann – und das schon ziemlich bald -werden sie merken, dass es hier keine Katzen gibt. Selbst wenn sie vermuten, die Tiere seien verendet, nützt Ihnen das gar nichts. Denn in diesem Fall werden sie einfach annehmen, auf dem Schiff läge ein Fluch und desertieren bei der ersten sich bietenden Gelegenheit. Sollte die Mannschaft jedoch zu dem Schluss gelangen, dass ihr beschissener Kapitän gar nicht erst daran gedacht hatte, Katzen mitzunehmen, dann hängt man Sie an der Rahnock auf!«
    »Autsch!«
    »Denken Sie, ich will Ihnen nur Angst machen? Oh nein, das ist keine leere Drohung - die Besatzung wird meutern. Zum Schluss gebe ich Ihnen noch einen guten Rat: Das nächste Schiff, das über der Kimm auftaucht, wird verfolgt. Wir müssen auf Prisenjagd gehen, koste es, was es wolle. Und wissen Sie, warum? Damit wir ein paar Katzen stehlen können’. Ehe es zu spät ist!«
    Caldris seufzte, ehe er fortfuhr, und plötzlich schien er um zehn Jahre gealtert zu sein.
    »Wenn es einer dieser Stürme ist, wie sie am Ende eines Sommers auftreten, müssen wir uns auf etwas gefasst machen. Der Orkan bewegt sich aller Wahrscheinlichkeit nach in nordwestliche Richtung, und schneller, als wir Fahrt machen können. Wir müssen mitten hindurch, denn wir können ihm nicht davonsegeln, indem wir einfach unter Vollzeug nach Osten knüppeln. Ich werde mein Möglichstes tun, aber heute Nacht sollten Sie in Ihrer Kajüte beten, dass ein Wunder geschieht.«
    »Was für ein Wunder?«
    »Flehen Sie sämtliche Götter an, dass es Katzen vom Himmel regnet!«
    Unpraktischerweise fielen in der kommenden Nacht keine kreischenden Miezen aus den Wolken, und als Locke

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