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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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blinzelte, hinterließ der Bogen, den dieses Wesen in der Luft beschrieben hatte, ein schillerndes Abbild in seinen Augen.
    »Bei den Göttern«, staunte er. »Was zur Hölle war das?«
    Eine ganze Fontäne dieser Umrisse schnellte nun in die Höhe, keine hundert Yards vom Schiff entfernt. Lautlos flogen sie einer nach dem anderen durch die Luft, über den Gischtkämmen auftauchend und dann verschwindend, ihr gespenstisches Licht auf das dunkle Wasser werfend, das den Schein wie ein Spiegel zurückwarf.
    »Man merkt, dass ihr diese Gewässer noch nie bereist habt«, kommentierte Caldris.
    »Das sind Flattergeister, Kosta. Südlich von Tal Verrar kann man sie überall sehen.
    Mitunter tauchen sie in großen Schulen auf, manchmal hüpfen sie über das Wasser. Sie springen sogar über Schiffe hinweg. Angeblich folgen sie dem Kielwasser der Schiffe.
    Aber man sieht sie nur nach Einbruch der Dunkelheit.«
    »Handelt es sich um eine Art Fisch?«
    »Das weiß keiner so genau«, antwortete Caldris. »Flattergeister lassen sich nicht einfangen. Angeblich kann man sie nicht einmal berühren. Sie fliegen widerstandslos durch Netze, als wären sie Gespenster. Vielleicht sind es ja welche.«
    »Klingt unheimlich«, meinte Locke.
    »Nach ein paar Jahren gewöhnt man sich an sie«, erklärte Caldris. Er sog an seiner Pfeife, und das Glimmen des brennenden Tabaks verstärkte sich für einen Moment.
    »Das Messing-Meer ist ein verflucht seltsamer Ort, Kosta. Manche Leute behaupten, dass hier die Eidren herumspuken. Ich selbst habe die seltsamsten Dinge gesehen.
    Sankt Corellas Feuer, wie es blau und rot die Rahnocken umzüngelt, sodass der Ausguck im Masttopp sich vor Angst in die Hosen pisst. Ich segelte über Wasser, das so durchsichtig war wie Glas … und einmal entdeckte ich auf dem Meeresgrund … eine Stadt. Ich mache keine Witze! Ich sah Mauern und Türme aus weißem Stein, klar und deutlich, direkt unter dem Schiffsrumpf. In den Seekarten steht verzeichnet, dass an dieser Stelle das Wasser tausend Faden tief ist. Die Bauwerke da unten waren genauso real wie meine Nase – doch auf einmal waren sie weg.«
    »Hey«, erwiderte Locke schmunzelnd, »hört sich ja faszinierend an. Aber mir können Sie nichts vormachen, Caldris.«
    »Ich mache Ihnen keineswegs etwas vor, Kosta.« Caldris runzelte die Stirn, und im orangeroten Schein der glimmenden Pfeife nahm sein Gesicht einen finsteren Ausdruck an. »Ich erzähle Ihnen nur, was Sie womöglich erwartet. Flattergeister sind erst der Anfang. Zur Hölle noch mal, Flattergeister sind beinahe freundlich. Da draußen gibt es Phänomene, die tatsächlich jede Vorstellungskraft sprengen. Manchmal glaube ich, einer Sinnestäuschung zu erliegen. Manche Stellen wird ein vernünftiger Schiffsführer ansteuern. Weil sie einfach zu … grausig sind. Weil es geradezu den Anschein hat, als würden diese Orte nur auf einen warten.« »Ah!« Locke blies den Atem aus. Er erinnerte sich an seine elenden frühen Jahre in den alten, verkommenen Winkeln von Camorr, und an tausend bedrohlich wirkende, verfallene Gebäude, die im Dunkeln auf der Lauer zu liegen schienen, um kleine Kinder zu verschlucken. »Ich weiß genau, was Sie meinen, Caldris.« »Der Geisterwind-Archipel«, fuhr Caldris fort, »nun ja, das ist der gruseligste Winkel überhaupt. Tatsächlich gibt es nur acht oder neun Inseln, die Menschen jemals betreten haben und dann auch noch zurückkamen, um von ihren Erlebnissen u berichten. Nur die Götter wissen, wie viele Eilande sich noch unter den Nebelbänken verbergen, oder was zur Hölle sich auf ihnen befindet.« Er legte eine Pause ein, bevor er weitersprach. »Haben Sie schon von den drei Siedlungen im Geisterwind-Archipel gehört?« »Ich glaube nicht«, antwortete Locke.
    »Nun ja.« Abermals sog Caldris ausgiebig an seiner Pfeife. »Ursprünglich gab es dort drei Kolonien. Vor mehr als hundert Jahren ließen sich Siedler aus Tal Verrar dort nieder. Sie gründeten Port Prodigal, Montierre und Hoffnung-auf-Silber. Port Prodigal existiert natürlich immer noch. Die einzige Niederlassung, die überdauert hat. Montierre war eine blühende Stadt, bis es zum Krieg gegen die Freie Armada kam. Port Prodigals Lage bildet einen natürlichen Schutz, der Ort lässt sich sehr gut gegen Angriffe verteidigen. Montierre hatte nicht diesen Vorteil. Nachdem wir die Flotte vernichtet hatten, machten wir diese Kolonie dem Erdboden gleich. Wir verbrannten die Fischerboote, vergifteten die Brunnen,

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