Sturm ueber roten Wassern
formulieren: Sind die Menschen an Bord in Gefahr?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Delmastro und wechselte einen schnellen Blick mit Jabril. »Kommt dieses etwas an Bord dieses Schiffs? Nein. Ganz sicher nicht. Verspürt ihr vielleicht den Wunsch, das Schiff zu … verlassen? Das kann ich nicht sagen. Hängt von jedem Einzelnen ab.«
»Ich glaube nicht, dass ich die nähere Bekanntschaft irgendeines Wesens machen möchte, das in diesen Gewässern schwimmt«, meinte Locke.
»Gut. Dann brauchst du dir wahrscheinlich keine Sorgen zu machen.« Delmastro seufzte. »Und denkt alle daran, was der Käpt’n gesagt hat. Wichtig ist, dass ihr euch ein bisschen ausruht. Der Befehl ›Alle Mann an Deck‹ kommt irgendwann mitten in eurer üblichen Freiwache, also macht die Augen zu, wenn ihr könnt.« Sie ging zu Jean, und Locke bekam mit, wie sie ihm zuflüsterte: »Ich lege mich jedenfalls hin.«
»Wir … äh … sehen uns dann später, Jerome.«
Unwillkürlich musste Locke grinsen.
»Hältst du ein Nickerchen?«, fragte Jean.
»Verdammt noch mal, nein. Ich setz mich hin und drehe Däumchen, bis die Pflicht ruft. Vielleicht finde ich auch jemanden, der mit mir Karten spielt …«
»Das glaube ich kaum«, fiel Delmastro ihm ins Wort. »Dein Ruf …«
»Die sind nur neidisch auf meine Glückssträhne«, wehrte sich Locke.
»Dann pass bloß auf, dass sie nicht von einer plötzlichen Pechsträhne abgelöst wird.
Mein Ratschlag an einen weisen Mann.« Sie warf Locke eine spöttische Kusshand zu.
»Oder was immer du bist, Ravelle.«
»Ich hoffe bloß, dass Sie Jerome in der Hängematte fix und fertig machen.« Locke verschränkte die Arme und grinste; dass Delmastro ihm gegenüber auftaute, freute ihn. »Wie gut Sie waren, merke ich immer, wenn ich Magister Treganne begegne. Je wütender sie aus der Wäsche guckt, umso toller haben Sie es getrieben. Zur Hölle, ich könnte einen Sport daraus machen. Ich schließe Wetten ab, bis zu welchem Grad ihr die wackere Bordärztin reizen könnt …«
»Wenn du das wagst«, fiel Delmastro ihm ins Wort, »dann lasse ich dich an deinen Eiern an die Ankerkette binden und über ein Riff schleifen.«
»Nein, ich finde die Idee großartig«, steuerte Jean bei. »Wir könnten selbst Wetten bei ihm abschließen und dann den Ausgang manipulieren …«
»Dieses Schiff hat zwei Anker, Valora!«
3
Der Abend dämmerte bereits, als Jean und Ezri sich aufs Achterdeck zurückstahlen.
Drakasha stand in der Nähe der Heckreling, auf dem linken Arm Cosetta und in der rechten Hand einen kleinen silbernen Becher.
»Du musst das trinken, mein Liebling«, flüsterte Drakasha. »Es ist ein ganz besonderer Schlummertrunk für Piratenprinzessinen.«
»Nein«, quengelte Cosetta.
»Bist du keine Piratenprinzessin?«
»Nein!«
»Ich denke doch. Sei ein braves Mädchen …« »Will nicht!«
Jean erinnerte sich an seine Zeit in Camorr, und wie Vater Chains sich manchmal verhalten hatte, wenn einer der jungen Gentlemen-Ganoven einen Trotzanfall hatte.
Gewiss, damals waren sie viel älter gewesen als Cosetta jetzt, aber Kinder waren Kinder, und Drakashas Gesicht wirkte schon ganz verhärmt vor Sorge.
»Nanu, nanu!«, rief er, sich den beiden Drakashas so nähernd, dass Cosetta ihn sehen konnte. »Das sieht aber köstlich aus, Käpt’n Drakasha.«
»Es sieht wirklich sehr gut aus«, erwiderte sie. »Und es schmeckt noch viel besser …«
»Igitt!«, spuckte Cosetta. »Ahhhhh! Nein!«
»Du musst es trinken«, beharrte ihre Mutter.
»Käpt’n!« Jean tat so, als sei er von dem Silberbecher fasziniert. »Es sieht ja sooo lecker aus. Wenn Cosetta es nicht trinken will, kann ich es dann haben?«
Drakasha starrte ihn verdattert an, dann lächelte sie. »Nun ja …« Sie legte einen zweifelnden Ton in ihre Stimme. »Wenn Cosetta es wirklich nicht will, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als es jemand anders zu schenken. Zum Wegkippen ist es nämlich zu schade.« Sie tat so, als wolle sie Jean den Becher reichen, und das Mädchen machte große Augen.
»Nein!«, protestierte die Kleine plötzlich. »Nein!«
»Aber du möchtest es doch nicht«, erinnerte Drakasha das Kind. »Dann soll Jerome es haben.«
»Mmmm«, Jean reckte schnuppernd die Nase in Richtung des Bechers. »Ich trinke es in einem Zug aus.«
»Nein!« Cosetta griff nach dem Becher. »Nein, nein, nein!«
»Cosetta«, ermahnte Drakasha ihre Tochter. »Wenn du es haben willst, dann musst du es auch trinken. Hast du
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