Sturm ueber roten Wassern
Schande«, prahlte Rodanov gutmütig, während Locke ihm einen mit Bier gefüllten Becher reichte. »Aber wie ich sehe, hast du ein paar Neue aufgegabelt.«
»Hier und da. Orrin Ravelle, Jerome Valora. Das ist Jaffrim Rodanov, der Kapitän der Tyrann.«
»Auf euer Glück und eure Gesundheit!«, dröhnte Rodanov, seinen Becher hebend.
»Mögen eure Feinde unbewaffnet und euer Bier unverwässert sein!«
»Auf dumme Kauffahrer und günstige Winde!«, rief Zamira und hob eine der Weinflaschen, die er ihr geschenkt hatte.
»Habt ihr dieses Mal gute Prise gemacht?«
»Die Lasten sind zum Bersten voll«, erwiderte Drakasha. »Außerdem haben wir eine kleine Brigg aufgebracht, ungefähr neunzig Fuß lang. Müsste eigentlich schon hier sein.«
»Meinst du die Roter Kurier?«
»Woher weißt du …«
»Erst gestern lief Strozzi in den Hafen ein. Erzählte mir, er hätte Jagd auf eine lahme Brigg gemacht und wollte sie schon kapern, bis er merkte, dass eine deiner Prisencrews ihm zuwinkte. Das passierte rund sechzig Meilen nördlich vom Tor der Händler, kurz vor dem Brennenden Törn. Zur Hölle, in diesem Augenblick kriechen sie vielleicht gerade durch das Tor der Händler.«
»Dann wünsche ich ihnen eine steife Brise. Wir haben die Salon-Passage genommen.«
»Hmmm, das ist nicht gut«, brummte Rodanov und verlor zum ersten Mal ein bisschen von seiner jovialen Ausstrahlung. »Habe in letzter Zeit seltsame Dinge über die Salon-Passage gehört. Seine Eminenz der Fette Bastard …«
»Er meint den Schiffsmakler«, flüsterte Konar Locke zu.
»… schickte letzten Monat einen Lugger nach Osten und behauptet, er sei in einem Sturm verloren gegangen. Aber ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass das Schiff nie aus der Salon-Passage herausgekommen ist.«
»Ich hielt es für das Beste, Prodigal möglichst schnell zu erreichen«, erläuterte Drakasha. »Aber das nächste Mal segele ich durch das Tor der Händler, und wenn es eine Woche dauert. Das kannst du ruhig weitersagen.«
»Genau diesen Rat hätte ich dir gegeben. Da dieser Begriff schon mal gefallen ist – mir kam zu Ohren, dass du für morgen den Rat einberufen willst.«
»Fünf von uns sind in der Stadt. Ich habe … merkwürdige Nachrichten aus Tal Verrar.
Und es soll keine öffentliche Sitzung sein.«
»Ein Kapitän, ein Erster Maat«, bestätigte Rodanov. »Gut so. Morgen gebe ich Strozzi und Colvard Bescheid. Rance weiß es sicher schon, nehme ich an.«
»Ja.«
»Vielleicht ist sie gar nicht in der Lage zu sprechen.«
»Sie braucht auch nichts zu sagen«, meinte Drakasha kühl. »Ich bin diejenige, die euch was zu erzählen hat.«
»Na schön«, meinte Rodanov. »›Lasst uns hinter vorgehaltener Hand sprechen, damit man von unseren Lippen nicht lesen kann, als seien sie aufgeschlagene Bücher; lasst uns einen Ort finden, an dem es nur Götter und Ratten vergönnt ist, unsere Worte zu vernehmen.‹«
Locke starrte Rodanov an; er zitierte Lucarno, und die Passage stammte aus …
»Die Hochzeit des Assassinen«, wusste Delmastro.
»Na klar, war ja auch nicht schwer zu erraten.« Rodanov grinste vergnügt. »Etwas Schwierigeres fiel mir nicht ein.«
»Ich wundere mich immer wieder, wie gebildet die Piraten des Messing-Meers sind«, warf Jean ein. »Ich weiß, dass Ezri …«
»Lucarno zitiere ich nur für sie«, fiel Rodanov ihm ins Wort. »Ich selbst mag ihn überhaupt nicht. Was er geschrieben hat, ist in meinen Augen sentimentaler Kitsch.
Dazu diese Überheblichkeit und die dauernden Anspielungen auf die verworfene Moral seiner Zeit, nur damit die damalige gesellschaftliche Elite sich in ihrer Verderbtheit suhlen konnte. Es galt als schick, sich schweinischen Vergnügen hinzugeben. Derweil würfelten die Soldmagier und meine Vorfahren darum, wer das Imperium zuerst niederbrennen durfte.«
»Jerome und ich lieben Lucarno«, erklärte Delmastro.
»Weil ihr nichts Besseres kennt«, behauptete Rodanov. »Weil die Stücke der frühen Poeten des Theriner Throns von irgendwelchen Dummköpfen in Kellergewölben versteckt werden, während selbst Lucarnos größter Schund von jedem hochgejubelt wird, der Geld genug hat, um es an Schreiber und Buchbinder zu verschwenden. Seine Stücke sind keine Dramen, es sind Verbrechen. Mercallor Mentezzo …«
»Mentezzo gefällt mir«, unterbrach Jean ihn. »Seine Verse sind schön, aber er benutzt den Chor wie eine Krücke, und am Ende bringt er immer die Götter ins Spiel, die dann sämtliche Probleme lösen
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