Sturm ueber roten Wassern
…«
»Mentezzo und seine Zeitgenossen schufen das Theriner Thron-Drama, indem sie die Vorlagen von Espadri ausbauten«, widersprach Rodanov. »Sie belebten fade Tempelrituale mit bedeutenden politischen Themen. Die strukturellen Mängel sollte man verzeihen; Lucarno zum Beispiel verfügte über eine solide Basis an Klassikern, auf die er aufbauen konnte, aber alles, was er hinzufügte, waren billige Melodramen …«
»Was auch immer er geschrieben haben mag, selbst vierhundert Jahre nach dem Untergang von Therim Pel ist Lucarno der einzige Dichter, der seinerzeit von Talathri öffentlich gefördert wurde, dessen gesamte Werke regelmäßig neu verlegt werden …«
»Der schlechte Geschmack des gemeinen Volkes ist doch wohl kein Maßstab für literarische Qualität. Man muss eine philosophische Analyse der fraglichen Werke vornehmen! Lucestra von Nicora schrieb in ihren Briefen an …«
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, mischte sich unvermittelt Konar der Riese ein, »aber es ist unhöflich, sich zu streiten, wenn keiner weiß, worum es in dieser verdammten Diskussion geht.«
»Konar hat recht«, bekräftigte Drakasha. »Ich bin mir nicht sicher, ob ihr zwei euch gleich aufs Messer bekämpfen oder irgendeinen Geheimkult gründen wollt.«
»Wer zur Hölle bist du?«, fragte Rodanov und musterte Jean aufmerksam. »Ich habe seit Jahren niemanden getroffen, mit dem ich mich über diese Themen unterhalten konnte.«
»Ich hatte eine ungewöhnliche Kindheit«, erwiderte Jean. »Und Sie?«
»Nun, als ich noch jung war, bildete ich mir ein, das Theriner Kollegium brauchte einen Meister der Literatur und Rhetorik namens Rodanov.«
»Was ist passiert?«
»Na ja, es gab da einen gewissen Rhetorik-Professor, weißt du, der eine idiotensichere Idee hatte, wie man von der Halle der Gelehrsamen Besinnlichkeit aus einen Wettladen führen konnte. Gladiatorenkämpfe, Bootsrennen des Kollegiums, solche Sachen. Seine Studenten benutzte er als Boten, und da man mit Geld Bier kaufen kann, machte ihn das zu unserem persönlichen Helden. Als er dann aus der Stadt flüchten musste, bedeutete das für den Rest von uns Peitschen und Ketten, deshalb heuerte ich als Hilfsmatrose auf einer Handelsgaleone an …«
»Wann war das?«, warf Locke ein.
»Hölle, das war zu einer Zeit, da waren die Götter noch jung. Vor rund fünfundzwanzig Jahren.«
»Dieser Rhetorik-Professor … hieß er vielleicht Barsavi? Vencarlo Barsavi?«
»Woher zur Hölle weißt du das?«
»Es könnte sein, dass ich ihm ein paarmal … begegnet bin.« Locke grinste. »Auf meinen Reisen im Osten. In der Nähe von Camorr.«
»Mir kamen Gerüchte zu Ohren«, sagte Rodanov. »Ein paarmal wurde sein Name im Zusammenhang mit Camorr erwähnt. Ich selbst war noch nie dort. Barsavi, na so was!
Lebt er immer noch in Camorr?«
»Nein«, fiel Jean ein. »Nein, nach dem, was ich hörte, muss er vor ein paar Jahren gestorben sein.«
»Schade.« Rodanov seufzte. »Sehr schade. Tja … ich habe euch lange genug aufgehalten mit meinem Geschwätz über Leute, die schon seit Jahrhunderten tot sind.
Nimm mich nicht allzu ernst, Valora. Es war mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen.
Dich auch, Ravelle.«
»War schön, dich wiederzusehen, Jaffrim.« Zamira stand zusammen mit ihm auf. »Bis morgen dann?«
»Ich bin schon gespannt auf dieses Treffen«, entgegnete er. »Guten Abend allerseits.«
»Das war also einer der Kapitäne, die Port Prodigal regelmäßig anlaufen«, sagte Jean, als Rodanov die Treppe hinunterpolterte. »Sehr interessant. Und warum hat er unseren Tisch nicht beansprucht?«
»Die Tyrann ist das größte Schiff, das ein hiesiger Kapitän je kommandiert hat«, erklärte Zamira mit gedehnter Stimme. »Und die Besatzung ist zahlenmäßig jeder anderen Mannschaft bei Weitem überlegen. Jaffrim hat es nicht nötig, sich so aufzuspielen wie der Rest von uns. Und das weiß er.«
Ein paar Minuten lang herrschte Schweigen am Tisch, bis Rask sich plötzlich räusperte und mit leiser, rauer Stimme verkündete: »Ich hab mal ein Stück gesehen. Da kam ein Hund drin vor, der einem Kerl in die Eier biss …«
»Ja«, stimmte Malakasti ein, »das kenn ich auch. Weil der Hund so gern Wurst ist, füttert der Mann ihn dauernd damit, und einmal zieht er seine Hose aus …«
»Schluss jetzt!«, donnerte Drakasha. »Der Nächste, der irgendein Theaterstück auch nur erwähnt, kann zur Orchidee zurückschwimmen. Ich denke, wir brechen auf und finden heraus, ob
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