Sturm ueber roten Wassern
Jerome zur Seite stellen.«
»Käpt’n«, knurrte Gwillem, »wieso ist Orrin Ravelle am Leben, obendrein ein Mitglied dieser Besatzung, und erdreistet sich auch noch, Sie um Geld zu bitten?«
»Del!«, brüllte Drakasha.
»Bin schon da«, rief sie und tauchte Sekunden später auf.
»Del, nimm Gwillem zur Seite und erkläre ihm, warum Orrin Ravelle am Leben und ein Mitglied dieser Mannschaft ist.«
»Aber wieso pumpt er Sie an, Käpt’n?«, beharrte Gwillem. Ezri griff nach seinem Arm und zog ihn mit sich.
»Meine Leute erwarten von mir, am Erlös der Kurier beteiligt zu werden«, sagte Drakasha warnend. »Ich muss sicher sein, das dein wie auch immer gearteter Plan nicht schiefgeht.«
»Käpt’n, in dieser Sache agiere ich als Mitglied Ihrer Crew -nur zur Erinnerung, ich habe ebenfalls das Recht auf einen Anteil.«
»Hmmm.« Sie blickte in die Runde und trommelte mit den Fingern auf dem Griff ihres Säbels herum. »Du brauchst eine bessere Garderobe, sagtest du?«
10
Die Agenten des Schiffsmaklers, angefeuert durch die Gerüchte, die seit letzter Nacht in Prodigal kursierten, erspähten schnell das neue Segel in der Bucht. Zur fünften Nachmittagsstunde legte ein reich verziertes Boot, das von einer großen Anzahl Sklaven gepullt wurde, längsseits an der Roter Kurier an.
Drakasha stand zusammen mit Delmastro, Gwillem und zwei Dutzend bewaffneten Matrosen bereit, um die Passagiere des Bootes zu empfangen. Die ersten, die über die Seite kletterten, waren einige Leibwächter, Männer und Frauen, die unter einem Harnisch aus gehärtetem Leder und Ringelpanzern schwitzten. Nachdem sie das Deck in Augenschein genommen hatten, sprang eine Gruppe Sklaven an Bord und riggte Taue auf, um einen Hängestuhl vom Boot auf das Schiff zu hieven. Ächzend und unter Strömen von Schweiß quälten sie sich ab, diesen Stuhl mitsamt dem darauf sitzenden Mann bis zur Fallreepspforte hochzuziehen.
Der Schiffsmakler war noch genauso, wie Drakasha ihn in Erinnerung hatte: ein alter Theriner mit einer Haut wie Pergament; er war so dick, dass es aussah, als sei das Fett aus ihm herausgequollen und ergösse sich nun in seine Umgebung. Seine Hängebacken reichten fast bis zur Mitte des Halses, die Finger glichen geplatzten Würsten, und seine Kehllappen waren so schlaff, dass sie zitterten, sobald er nur blinzelte. Mit der Hilfe zweier Sklaven schaffte er es, sich aus dem Stuhl hochzustemmen, aber er schien sich erst wieder halbwegs wohlzufühlen, als ein anderer Sklave mit einem breiten, lackierten Bord herbeieilte, einer Art Klapptisch. Dieser wurde vor ihm aufgestellt, und mit einem erleichterten Stöhnen wuchtete er seinen gewaltigen Bauch auf die Platte.
»Eine lahme Brigg«, sagte er zu niemand Besonderem. »Eine Bramstenge ist weg, die andere taugt nur noch als Brennholz. Ein bisschen in die Jahre gekommen ist sie auch.
Eine Dame, deren verblühte Reize durch kürzlich aufgetragene Schichten von Farbe und Gold schlecht kaschiert sind. Oh! Vergib mir, Zamira. Ich habe dich gar nicht gesehen.«
»Dafür habe ich gesehen, wie das Schiff krängte, sobald du an Bord kamst«, schoss Drakasha zurück. »Dieses Schiff ist immerhin so stabil, dass es einen Spätsommersturm überstanden hat, obwohl es von einem Laien geführt wurde. Der Rumpf ist sauber, Bramstengen sind billig, und es ist bei Weitem besser in Schuss als die meisten Trümmerhaufen, die du in den Osten verschiebst.«
»Trümmerhaufen, die von deinen Standesgenossen aufgebracht wurden. Aber jetzt will ich mal einen Blick unter die Röcke werfen und sehen, ob überhaupt noch was an diesem traurigen Kahn dran ist. Danach können wir darüber reden, ob und in welchem Umfang ich dir eine Gefälligkeit erweise.«
»Plustere dich ruhig nach Herzenslust auf, Alter. Ich will gutes Geld für ein gutes Schiff.«
»Die Roter Kurier ist in der Tat ein gutes Schiff«, meldete sich Leocanto Kosta (wie Zamira ihn mittlerweile in Gedanken nannte) zu Wort, der just in diesem Augenblick aus seinem Versteck im Niedergang auftauchte. Der kleine Vorrat an edlen Kleidungsstücken, der sich auf der Orchidee befunden hatte, verlieh ihm die Erscheinung eines wohlhabenden Mannes. Er trug einen senfbraunen Rock mit Manschetten aus Silberbrokat, die Seidentunika wies keinen einzigen Flecken auf, die Hosen waren ganz passabel und die Schuhe blank gewienert. Die Sachen waren so groß, dass sie auch einem Mann von Jeromes Statur gepasst hätten, doch Kosta hatte sie mit Lumpen
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