Sturm ueber roten Wassern
Jeremitische Erlöser getötet hatte.«
Zamira fand, es entbehre nicht einer gewissen Ironie, dass sie Kosta nun mit genau den Halbwahrheiten anpries, von denen er selbst nichts wissen wollte. Sie erinnerte sich noch gut an ihr Gespräch nach der Kaperung der Eisvogel, als er mit ihr auf dem Achterdeck gestanden und versucht hatte, ihr klarzumachen, dass er weder ein Held noch ein Kämpfer sei, sondern einfach nur unverschämtes Glück gehabt habe.
»Eben sagtest du noch, er hätte sein eigenes Schiff befehligt«, wandte Rodanov ein.
»Das stimmt auch. Die Roter Kurier, die ich heute Nachmittag an den Schiffsmakler verkauft habe. Pierro, vor ein paar Tagen sahst du es noch am Brennenden Törn, nicht wahr?«
»Ja, das ist richtig.«
»Ich segelte also in aller Arglosigkeit über das Messing-Meer, ab und an eine Prise aufbringend«, fuhr Zamira fort, »als ich zufällig auf Ravelles Kurier traf. Ich störte seine Pläne, gelinde gesagt. Und ich bohrte Löcher in seine Geschichte, bis ich mehr oder weniger die Wahrheit aus ihm herausquetschte.«
»Und was für eine Geschichte ist das?« Rance klang, als hätte sie einen Haufen Kieselsteine im Mund, aber sie konnte sich verständlich machen.
»Denk doch mal nach, Rance. Wer ist dieser Ravelle? Ganz eindeutig ein Dieb. Mit sicherlich ungewöhnlichen Talenten. Aber könnte ein einzelner Mann eine Brigg aus dem mit Toren verschlossenen Hafenbecken der Schwert-Marina herausbringen?
Könnte ein einzelner Mann in den Amwind-Felsen einbrechen, dort alle Wächter überwältigen, eine ganze Schar Gefangener aus ihrem Verlies befreien und sie in seiner Brigg davonschaffen, die er paktischerweise in derselben Nacht gestohlen hat?«
»Äh«, entfuhr es Rance, »tatsächlich … so gesehen …«
»Er tat es nicht allein.« Colvard sprach zum ersten Mal, in ruhigem Ton, aber jeder im Pavillon sah zu ihr rüber. »Stragos muss dahinterstecken. Er hat ihn absichtlich entkommen lassen.«
»Exakt«, bestätigte Zamira. »Stragos ließ ihn entkommen. Stragos verschaffte ihm eine Besatzung aus Gefangenen, die für ihre Freiheit alles getan hätten. Stragos gab ihm ein Schiff. Und all das tat er, weil er wusste, dass Ravelle damit nach Süden segeln würde.
Um sich uns hier anzuschließen.«
»Er wollte einen Spitzel einschmuggeln«, rief Strozzi erregt, obwohl er normalerweise die Ruhe selbst war.
»Ja. Aber es steckt noch mehr dahinter.« Zamira blickte sich im Kreis der Piraten um, weil sie sich davon überzeugen wollte, dass sie ihre volle Aufmerksamkeit hatte. Erst dann sprach sie weiter: »Und es ist ihm gelungen. Stragos hat seine Agenten eingeschleust. Sie sind mitten unter uns, genauer gesagt an Bord meines Schiffes. Orrin Ravelle und sein Gefährte Jerome Valora stehen zurzeit im Dienst des Archonten.«
Ezris Kopf schnellte herum, und mit offenem Mund starrte sie ihren Kapitän an.
Zamira drückte unauffällig ihren Arm.
»Bring sie um!«, forderte Colvard.
»Die Situation ist komplizierter und ernster, als ihr ahnen könnt«, entgegnete Zamira.
»Das will ich wohl meinen, dass die Situation für die beiden Kerle ernst ist! Ich halte es immer für das Beste, Komplikationen aus der Welt zu schaffen.«
»Hätte ich den Betrug selbst entdeckt, wären die zwei längst Fischfutter. Aber Ravelle hat mich selbst über den Sachverhalt aufgeklärt – aus freien Stücken. Er behauptet, Stragos hätte ihn und Valora zu dieser Agententätigkeit gezwungen, indem er ihnen ein schleichendes Gift verabreichte, zu dem angeblich nur er das passende Gegenmittel besitzt. In einem Monat müssen sie zu Stragos zurück, um ihre nächste Dosis in Empfang zu nehmen.«
»Wenn man sie umbrächte, täte man ihnen also einen Gefallen«, murmelte Rance. »Der Dreckskerl wird sie ewig nach seiner Pfeife tanzen lassen …«
Rodanov gab ihr einen Wink zu schweigen. »Wie lautet Ravelles Auftrag? Uns auszuspionieren, nehme ich an …«
»Nein, so simpel ist das nicht, Jaffrim.« Zamira legte die Hände auf den Rücken und fing an, langsam auf und ab zu gehen. »Stragos will, dass wir ihm den Gefallen tun, wieder in Sichtweite von Tal Verrar die rote Flagge zu hissen.«
»Das ergibt keinen Sinn«, wunderte sich Strozzi.
»Oh doch, wenn man bedenkt, worauf der Archont abzielt«, warf Colvard ein. »Was soll das heißen?«, riefen Rance und Strozzi unisono.
»Ich habe gehört, dass zwischen dem Archonten und den Priori die Dinge nicht zum Besten stehen«, erklärte Colvard. »Wenn allerdings
Weitere Kostenlose Bücher