Sturm ueber roten Wassern
heute ist; ich will nur … oh. Oh!«
Der einundzwanzigste Tag im Monat Aurim: die Festa Iono, das prunkvolle Fest zu Ehren des Herrn der Gierigen Wasser. Locke seufzte erleichtert auf. Weit weg vom üblichen Rhythmus der Stadt, hatte er diesen Feiertag völlig vergessen. Bei der Festa Iono bedankten sich die Verrari bei dem Gott für die Gunst, die er der Stadt erwies, indem sie in einer Zeremonie alte Schiffe verbrannten, während tausende von Betrunkenen den Hafen im Chaos versinken ließen. Locke hatte dem Treiben lediglich von den Balkonen des Sündenturms aus zugesehen, aber es war eine turbulente Zeit.
Zur Hölle, umso leichter würde es für sie sein, sich in die Stadt einzuschmuggeln; an jeder Ecke passierten Dinge, die die Wachen auf Trab hielten.
»Alle Mann an Deck!«, hallte der Ruf von achtern. »Alle Mann in der Kühl antreten!
Der Käpt’n hält eine Ansprache!«
Locke grinste. Wenn während eines Kartenspiels ein »Alle Mann an Deck« ausgerufen wurde, musste das Spiel aufhören, und jeder bekam seinen Einsatz zurück. Seine sieben Solari würde er also bald wieder in die eigene Tasche stecken können.
Lärmend versammelte sich die Mannschaft in der Kühl, und nach ein paar Minuten bedeutete Drakasha ihnen still zu sein. Der Käpt’n rückte ein leeres Fass neben den Hauptmast, und Leutnant Delmastro sprang darauf; sie trug einen adretten Mantel aus dem Schiffsfundus für vornehme Garderobe.
»Für den Rest der Nacht«, brüllte sie, »sind wir die Chimäre, und von dem Piratenschiff Giftorchidee haben wir noch nie etwas gehört. Ich bin der Kapitän! Ich laufe auf dem Achterdeck auf und ab, falls jemand etwas braucht, und Drakasha bleibt in ihrer Kajüte, es sei denn, irgendwas geht schief.
Wenn uns ein anderes Schiff anpreit, werde ich antworten. Ihr anderen tut so, als würdet ihr kein Therin sprechen. Unsere Aufgabe ist es, zwei unserer neuen Freunde an Land zu bringen, wo sie eine Mission erfüllen sollen, die uns alle etwas angeht. Ravelle, Valora - wir schicken euch in dem Boot los, das ihr uns vor ein paar Wochen überlassen habt.«
Sie unterbrach sich und wartete, bis das plötzlich aufbrandende Stimmengewirr sich wieder legte. »In ungefähr zwei Stunden lassen wir den Anker fallen. Wenn ihr bis Sonnenaufgang nicht zurück seid, ist das Schiff fort – und wir kommen dieser Stadt nie wieder näher als fünfhundert Meilen.«
»Wir haben verstanden«, betonte Locke.
»Wenn der Anker unten ist«, fuhr Delmastro fort, »werden die Wachen in den Toppen verdoppelt. Wir riggen zu beiden Seiten Klingennetze auf, und zwar so, dass man sie schnell hochziehen kann, doch vorläufig bleiben sie unten. Stellt Piken gegen die Reling, und an beiden Masten werden Säbel ausgelegt. Wenn ein Boot der Zollbehörde oder irgendein anderer Kahn mit Uniformträgern kommt, um uns einen Besuch abzustatten, lassen wir die Leute an Bord und behalten sie über Nacht da. Wenn jemand anders versucht, uns zu belästigen, schlagen wir die Enterer zurück, setzen Segel und hauen ab.«
Dieser Vorschlag wurde mit zustimmendem Gemurmel quittiert.
»Das war alles. Klarmachen zum Einlaufen in Tal Verrar. Mumchance, bring uns bis eine Meile vor die Smaragd-Galerien. Signalgast, an der Heckreling eine graue Ashmiri-Flagge hissen.«
Ashmere, das über keine eigene Handels- oder Kriegsflotte verfügte, machte gute Geschäfte damit, dass es Schmugglern, Freibeutern und Händlern, die den Zoll umgehen wollten, eine Registrierung unter der Ashmiri-Nationalflagge erlaubte. Wenn die Chimäre die graue Flagge hisste, würde sich niemand näher mit dem Schiff beschäftigen. Und was noch wichtiger war, keiner käme auf den Gedanken, sich ihnen zu nähern, nur um mit Landsleuten fern der Heimat zu plaudern.
Locke gefiel dieser Plan. Und wenn sie südöstlich der Stadt ankerten, konnten sie sich der Castellana problemlos nähern; auf diese Weise gelangten sie zu Stragos, ohne den überfüllten Marinas oder dem Hauptankerplatz zu nahe zu kommen.
»Hey!«, rief Utgar und klopfte Locke und Jean auf den Rücken. »Was habt ihr zwei eigentlich vor? Braucht ihr einen Leibwächter?«
»Ravelle ist der einzige Aufpasser, den ich brauche«, gab Jean grinsend zurück.
»Von mir aus. Kämpfen kann er ja, das hat er bewiesen. Aber wo steckt ihr da eure Nasen rein, hmmm? Wird es gefährlich?«
»Wahrscheinlich nicht«, wiegelte Locke ab. »Pass auf, Drakasha weiht euch vielleicht schneller in die ganze Geschichte ein, als ihr denkt.
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