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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Was wir heute Nacht vorhaben, könnte man als ein ganz normales Geschäft bezeichnen.«
    »Wir schauen nur mal bei unserer alten Großmutter vorbei«, fuhr Jean fort.
    »Begleichen die Spielschulden unseres Onkels. Bummeln über den Nachtmarkt und kaufen drei Laibe Brot und einen Bund Zwiebeln.«
    »Ist ja gut, ist ja gut. Behaltet eure Geheimnisse ruhig für euch. Wir anderen bleiben einfach hier und langweilen uns.«
    »Dass euch langweilig wird, glaube ich kaum«, widersprach Locke. »Dieses Schiff steckt doch voller kleiner Überraschungen, ist es nicht so?«
    »Das stimmt«, gluckste Utgar. »Das stimmt wirklich, Mann o Mann. Also, passt gut auf euch auf. Mögen die Augen der Götter auf euch ruhen und so weiter.«
    »Danke.« Locke kratzte sich am Bart, dann schnippte er mit den Fingern. »Zur Hölle!
    Um ein Haar hätte ich was vergessen. Jerome, Utgar, bin gleich wieder zurück.«
    Er trabte nach achtern, den Arbeitstrupps der Blauen Wache und den sich langweilenden Roten ausweichend, die halfen, Piken und Säbel aus den Waffenschapps zu verteilen. Mit zwei flinken Sätzen sprang er die Treppe zum Achterdeck hoch, rutschte das Geländer des Niedergangs hinunter und klopfte laut an Drakashas Kajütentür. »Ist offen!«, rief sie.
    »Käpt’n«, sagte Locke, die Tür hinter sich schließend. »Ich muss mir noch einmal das Geld borgen, das in meiner Seekiste war.«
    Drakasha räkelte sich mit Paolo und Cosetta in ihrer Hängematte; sie las ihnen aus einem dicken Wälzer vor, der verdächtig nach dem Praktischen Handbuch für den klugen Seemann aussah. »Technisch gesehen wurde das Geld unter der Besatzung aufgeteilt«, erwiderte sie. »Aber ich kann dir den Gegenwert aus der Schiffskasse geben. Die volle Summe?«
    »Zweihundertundfünfzig Solari müssten genügen. Oh. Äh … ich werde das Geld allerdings nicht wieder mitbringen.«
    »Faszinierend«, spottete sie. »Deine Vorstellung von Geld ›borgen‹ bringt mich nicht unbedingt dazu, aus der Hängematte aufzustehen. Wozu brauchst du überhaupt …«
    »Käpt’n, Stragos ist nur die eine Hälfte unseres Geschäfts heute Nacht. Ich muss auch Requin zufriedenstellen. Wenn ich ihn vernachlässige, kann er unseren Plan im Handumdrehen zunichtemachen. Außerdem ist mir gerade eingefallen, dass ich ihm etwas entlocken könnte, das uns zugutekommt.«
    »Du brauchst das Geld also als Bestechung.«
    »Unter Freunden nennt man so etwas ›eine kleine Anerkennung^ Kommen Sie, Drakasha. Betrachten Sie es als eine Investition, die hilft, das von uns gewünschte Ergebnis zu erzielen.«
    »In Ordnung, du kriegst das Geld – wenn du mich dann endlich in Frieden lässt. Du bekommst es, wenn du das Schiff verlässt.«
    »Sie sind sehr …«
    »Ich bin weder freundlich noch tolerant. Ich will nur meine Ruhe. Und jetzt raus hier!«

9
     
     
    Sie waren sieben Wochen unterwegs gewesen, doch ihnen kam es vor wie eine halbe Ewigkeit.
    Während er an der Steuerbordreling stand und wieder einmal die Inseln und Türme von Tal Verrar betrachtete, spürte Locke, wie sich Besorgnis und Melancholie in ihm vermischten wie zwei Liköre. Dunkle Wolken hingen tief über der Stadt und reflektierten den Schein der Flammen, die von den brennenden Schiffen am Hauptankerplatz ausgingen.
    »Bist du bereit?«, fragte Jean.
    »Bereit und in Schweiß gebadet.«
    Sie trugen geborgte vornehme Kleidung, Leinenhüte und Umhänge. Die Umhänge waren viel zu warm, aber in vielen Stadtbezirken sah man sie häufig auf den Straßen; es bedeutete nichts anderes, als dass die Person, die darin steckte, vermutlich bewaffnet war und besser nicht behelligt werden sollte. Locke und Jean hofften, dass diese Art Garderobe dazu beitragen würde, von gewissen Leuten nicht erkannt zu werden, denen sie lieber nicht begegnen wollten.
    »Alle Mann klar zum Aussetzen des Bootes!«, schrie Oscarl, der den Trupp beaufsichtigte, der ihr Boot zu Wasser lassen sollte. Begleitet vom Knarren der Taue und Taljen, schwang der kleine Kahn hinaus in die Dunkelheit und landete klatschend auf den Wellen. Utgar kletterte über die Seite, um ihn loszumachen und die Riemen vorzubereiten. Als Locke an die Einstiegspforte trat und sich anschickte hinunterzusteigen, hielt Delmastro ihn zurück.
    »Was auch immer passiert«, zischte sie ihm zu, »bring ihn mir zurück.« »Ich werde nicht versagen«, antwortete er. »Und er auch nicht.« »Zamira sagte mir, ich soll dir das hier geben.« Delmastro reichte ihm eine schwere Lederbörse,

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