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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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vollgepackt mit Münzen. Locke nickte dankbar und verstaute sie in einer Innentasche des Umhangs. Als Locke sich am Enternetz hinunterhangelte, begegnete ihm auf halbem Weg Utgar, der fröhlich salutierte und dann weiter nach oben kletterte. Locke sprang ins Boot, hielt sich jedoch weiterhin am Enternetz fest, damit er aufrecht stehen konnte. Er schaute hoch, und im Licht der Schiffslaternen sah er Jean und Ezri, die sich mit einem Kuss verabschiedeten. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, und dann trennten sie sich. »Das ist jedenfalls viel besser als das letzte Mal, als wir beide allein in diesem Boot saßen«, meinte Jean. Dann setzte er sich auf die Ruderbank und legte die Riemen in die Dollen.
    »Du hast ihr deinen richtigen Namen verraten, stimmt’s?«
    »Was?« Jean machte große Augen, dann runzelte er ungehalten die Stirn. »Hast du jetzt geraten?«
    »Ich kann nicht besonders gut von den Lippen lesen, aber das letzte Wort, das sie zu dir sagte, hatte nur eine Silbe und nicht zwei.«
    »Oh«, seufzte Jean. »Du bist wirklich ein raffinierter kleiner Halunke.« »Du hast in jeder Hinsicht recht. Ich bin raffiniert, ich bin klein, und ich bin ein Hal unke.«
    »Warte bloß nicht auf eine Entschuldigung …«
    »Götter, ich bin doch nicht beleidigt, Jean. Ich wollte nur ein bisschen angeben.« Gemeinsam legten sie sich in die Riemen und pullten das Boot unter Aufbietung aller Kräfte über das schwarze, kabbelige Wasser in Richtung des Kanals, der den Galezzo-Distrikt von den Smaragd-Galerien trennte.
    Sie ruderten mehrere Minuten lang, ohne miteinander zu sprechen; die Riemen knarzten, die Wellen plätscherten, und die Giftorchidee blieb hinter ihnen zurück. Das Weiß ihrer beschlagenen Segel verschwand in der Dunkelheit, bis von ihr nur noch ein matter Glanz der Laternen zu sehen war. »Der Alchemist«, platzte Locke übergangslos heraus.
    »Häh?«
    »Stragos’ Alchemist. Er ist der Schlüssel zu unserem beschissenen Dilemma.« »Wenn du mit ›Schlüssel‹ ›Verursacher‹ meinst …«
    »Nein, hör mir zu. Wie wahrscheinlich ist es, dass Stragos uns irgendwann einmal versehentlich die Gläser behalten lässt, mit denen er uns das Gegengift verabreicht?
    Oder dass ihm eine Dosis aus der Rocktasche fällt?«
    »Blöde Frage«, knurrte Jean. »So was passiert ihm ganz bestimmt nicht.«
    »Genau. Es hat also keinen Sinn, darauf zu warten, dass ihm ein Patzer unterläuft – wir müssen mit dem Alchemisten Kontakt aufnehmen.«
    »Er gehört dem persönlichen Gefolge des Archonten an«, erklärte Jean. »Vielleicht ist er die wichtigste Person, die in Stragos’ Diensten steht, zumindest, wenn er gewohnheitsmäßig Leute vergiftet. Ich bezweifle, dass dieser Alchemist irgendwo in einem netten, abgeschiedenen Häuschen wohnt, wo wir ihm einen Besuch abstatten könnten. Er lebt sicher auf dem Mon Magisteria.«
    »Aber irgendeinen Ansatzpunkt muss es doch geben«, beharrte Locke. »Auch dieser Mann ist käuflich, davon gehe ich einfach aus. Denk doch mal nach, welche Summen wir im Sündenturm liegen haben, und was wir mit Drakashas Hilfe noch erbeuten können.«
    »Ich gebe zu, dass das bis jetzt die beste Idee ist, wie wir aus dem Schlamassel rauskommen. Was aber nicht viel heißt.«
    »Also Augen und Ohren offen halten und auf die Hilfe des Korrupten Wärters hoffen«, murmelte Locke.
    An dieser Seite der Stadt wimmelte es in Tal Verrars innerem Hafen vor Vergnügungsbooten, Hausbooten und gemieteten Gondeln. Die Reichen (und auch die weniger Reichen, denen es egal war, ob sie am nächsten Tag ohne einen einzigen Centira aufwachten) verlagerten sich in Scharen von den Bezirken der Berufsstände zu den Kneipen und Kaffeestuben der Smaragd-Galerien.
    Locke und Jean fädelten sich in den regen Verkehr ein und pullten gegen den Strom, wobei sie immer wieder größeren Fahrzeugen auswichen und mit den grölenden, flaschenwerfenden und sich auf obszöne Weise vergnügenden Passagieren einiger Boote, auf denen es reichlich wüst zuging, erlesene Vulgaritäten austauschten.
    Nachdem sie mehr Beschimpfungen ausgeteilt als eingesteckt hatten, schlüpften sie schließlich zwischen dem Kunsthandwerker-Ring und dem Alchemisten-Bogen hindurch, allerdings nicht ohne die strahlend blauen und grünen Feuerbälle zu bewundern, die die Alchemisten über ihren privaten Anlegern vierzig bis fünfzig Fuß hoch in die Luft schleuderten -vermutlich anlässlich der Festa, obwohl man bei diesem Berufsstand nie sicher sein konnte. Der

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