Sturm ueber roten Wassern
er an. Als keine Antwort kam, bollerte er mit der Faust gegen die Tür und schrie: »Treganne, du verdammtes Luder, das wirst du mir büßen!«
6
»Sind ihre Vorbereitungen denn bald abgeschlossen?«
Die beiden Männer hatten sich in den Ruinen eines kleinen Steinhauses getroffen, dessen Dach eingestürzt war; der Ort lag südlich vom Stadtkern, so nahe am Saum des unheimlichen Dschungels, dass nicht einmal Betrunkene und von Drogen Berauschte hierhin krochen, um Schutz zu suchen. Es war kurz vor Mitternacht, und ein kräftiger Regen, warm wie Spucke, prasselte vom Himmel.
»Heute Nachmittag hat sie den ganzen Schrott verhökert. Danach wie verrückt Trinkwasser und Bier gebunkert. Die Lasten sind schon längst proppenvoll mit Proviant. Wenn wir morgen jeden eingesammelt haben, der eingesammelt werden will, segeln wir los, da bin ich mir sicher.«
Jaffrim Rodanov nickte, und vielleicht zum hundertsten Mal blickte er sich in den Trümmern des Hauses um, spähte in jeden schattigen Winkel. Jemand, der sie bei dem heftigen Rauschen des Regens verstehen wollte, musste sich so dicht an sie heranpirschen, dass er ihnen nicht verborgen bleiben konnte – jedenfalls dachte er das.
»Während der Ratsversammlung sagte Drakasha sehr beunruhigende Dinge. Was hat sie verlauten lassen über ihre Pläne, wenn sie wieder auf See ist?«
»Gar nichts«, entgegnete der andere Mann. »Es ist schon sehr merkwürdig.
Normalerweise gibt sie uns eine gute Woche Landgang, damit wir unser Geld verpulvern und uns die Schädel blutig schlagen lassen können. Es ist, als hätte sie auf einmal Feuer unterm Arsch, und uns anderen ist das alles ein Rätsel.«
»Natürlich«, meinte Rodanov. »Sie wird erst mit der Sprache rausrücken, wenn ihr unterwegs seid. Hat sie denn gar nichts über den Archonten gesagt? Oder Tal Verrar erwähnt?«
»Nein. Was könnte sie Ihrer Ansicht nach denn planen …«
»Ich weiß genau, was sie vorhat. Ich bin nur nicht gänzlich davon überzeugt, dass sie weise handelt.« Rodanov seufzte. »Sie könnte jeden einzelnen Bewohner des Geisterwind-Archipels in Schwierigkeiten bringen.«
»Und deshalb wollen Sie …«
»So ist es.« Rodanov reichte dem Mann eine Geldkatze, wobei er sie schüttelte, damit man das Klirren der Münzen hörte. »Es bleibt dabei, so wie wir es vereinbart haben.
Halte deine Augen offen, und merke dir gut, was du siehst. Hinterher erstattest du mir Bericht.«
»Und diese andere Sache?«
»Habe ich dabei«, erwiderte Rodanov und zog eine ziemlich schwere Tasche aus Ölzeug hervor. »Bist du sicher, dass du das an einem Ort verstecken kannst, wo niemand es findet …«
»Meine Seekiste. Steht mir aufgrund meines Ranges doch zu, oder? Das Ding hat einen doppelten Boden.«
»Das dürfte wohl genügen.« Rodanov reichte ihm die Tasche.
»Und wenn ich dieses Ding … benutzen muss …«
»Auch in diesem Fall gehst du so vor wie besprochen. Später bekommst du das dreifache der Summe, die ich dir gerade gegeben habe.«
»Ich verlange mehr«, trumpfte der Mann auf. »Ich will einen Platz an Bord der Tyrann.«
»Den sollst du kriegen.« Rodanov streckte die Hand aus, und sein Gegenüber ergriff sie. Sie schüttelten sich in der traditionellen Art der Vadraner die Hände, indem einer des anderen Unterarm umklammerte. »Du weißt doch, einen guten Mann kann ich auf meinem Schiff immer gebrauchen.«
»So wie Sie mich jetzt schon brauchen, was? Ich wollte nur sicher sein, dass ich weiß, wo ich hin kann, wenn der ganze Spuk vorbei ist. Egal, wie es ausgeht.«
Utgar grinste, und seine Zähne schimmerten wie ein matter weißer Halbmond in der Dunkelheit.
7
Mit dem feuchten Südwind, der an Steuerbord raum-achterlich einkam, preschte die Giftorchidee in Richtung Nord zu Ost über das Messing-Meer wie ein Rennpferd, dem man endlich die Zügel schießen lässt. Es war der dritte Tag des Monats Aurim.
Nachdem sie einen vollen Tag lang mühsam durch die sich windende, mit Felsen übersäte Passage navigiert waren, die man das Tor der Händler nannte, verbrachten sie zwei weitere Tage damit, Riffen und winzigen Inseln auszuweichen, bis die letzte von Dschungel gekrönte Felskuppe und die letzte vulkanische Rauchfahne des Geisterwind-Archipels unter der Kimm verschwanden.
»Ich erkläre euch jetzt, was wir vorhaben«, wandte sich Drakasha an die Gruppe, die sie auf dem Achterdeck hatte antreten lassen. Delmastro, Treganne, Gwillem, Utgar, Nasreen, Oscarl und sämtliche
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