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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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ihnen meine Gärten zur Verfügung.«
    »Mir kommen die Tränen«, spottete Locke. »Grausame Umstände zwingen Sie dazu, Gartenfeste zu geben.«
    Stragos lächelte dünn und gab seinem Alchemisten ein Zeichen. Der Mann nahm die Haube von dem Silbertablett und enthüllte zwei mit weißem Reif beschlagene Kristallgläser, die mit der vertrauten blassgelben Flüssigkeit gefüllt waren.
    »Heute Nacht dürfen Sie Ihr Gegengift vermischt mit Birnenwein trinken«, verkündete der Archont. »Als Erinnerung an die guten alten Zeiten.«
    »Sie sind schon ein witziges altes Arschloch.« Locke reichte Jean ein Glas, leerte das seine mit wenigen Schlucken und warf es dann in die Luft.
    »Himmel! Ich bin ausgerutscht.«
    Anstatt zu zersplittern, schlug das Glas mit einem lauten Klirren auf dem Boden auf.
    Es sprang einmal in die Höhe, dann rollte es völlig unbeschädigt in eine Ecke.
    »Ein kleines Geschenk der Meister-Alchemisten.« Stragos setzte eine ungemein belustigte Miene auf. »Zwar kein Elderglas, aber genau das Richtige, um rüden Gästen ihren billigen Wunsch nach Genugtuung zu verwehren.«
    Jean trank seinen Birnenwein aus und stellte das Glas auf das Tablett des Glatzkopfs zurück. Einer der Allsehenden Augen hob das andere Glas auf, und als beide wieder von der silbernen Haube verdeckt waren, entließ Stragos seinen Alchemisten mit einem lässigen Wedeln der Hand.
    »Ich … äh …«, hob Locke an, doch der Mann verschwand bereits durch die Tür.
    »Für heute ist unser Gespräch beendet«, erklärte Stragos. »Merrain und ich müssen zu dem Fest zurück. Kosta und de Ferra, der wichtigste Teil eurer Aufgabe liegt noch vor euch. Bringt mir Erfolgsmeldungen … und es wird euer Schaden nicht sein.«
    Stragos führte Merrain zur Tür und drehte sich nur noch einmal um, als er einem der Allsehenden Augen einen Befehl erteilte: »Sperrt sie für zehn Minuten hier ein. Danach bringt ihr sie wieder zu ihrem Boot. Gebt ihnen ihr Eigentum zurück und seht zu, dass sie verschwinden. So schnell wie möglich.«
    »Ich … aber … verdammt1.«, fluchte Locke, als die Tür hinter den beiden Allsehenden Augen ins Schloss fiel.
    »Gegengift!«, zischte Jean. »Das ist das Einzige, was jetzt zählt. Gegengift.«
    »Du hast sicher recht.« Locke legte die Stirn gegen eine der Steinwände des Zimmers.
    »Götter! Ich hoffe, unser Besuch bei Requin fällt ergiebiger aus.«

11
     
     
    »Das hier ist der Dienstboteneingang, du blöder Drecksack!«
    Der Rausschmeißer des Sündenturms erschien wie aus dem Nichts. Er rammte Locke sein Knie in den Unterleib, sodass ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde, dann packte er ihn und schleuderte ihn auf den mit Kies ausgelegten, von Laternen beleuchteten Hof hinter dem Turm zurück. Locke hatte nicht mal einen Fuß in den Turm gesetzt, sondern sich nur der Tür genähert, nachdem er niemanden entdeckt hatte, den er bestechen konnte, damit der ihm eine Audienz bei Selendri verschaffte.
    »Uff!«, ächzte er, als er auf dem Boden landete.
    Jean, eher durch seinen loyalen Instinkt als durch kühle Vernunft geleitet, mischte sich ein, als der Rausschmeißer vorpreschte, um Locke die nächste Abreibung zu verpassen. Der Rausschmeißer gab ein wütendes Knurren von sich und griff Jean mit einem etwas zu lässigen Schwinger an; Jean fing seinen Arm in der Luft ab, dann brach er dem Kerl mit einem Handkantenschlag mehrere Rippen. Ehe Locke etwas sagen konnte, trat Jean dem Rausschmeißer in den Schritt und fegte die Füße unter ihm weg.
    »Urrrrgh-ACK«, krächzte der Mann, als er der Länge nach hinschlug.
    Der nächste Angestellte, der durch die Tür flitzte, war mit einem Messer bewaffnet; Jean brach ihm die Hand, in der er die Klinge hielt, und schmetterte den Burschen gegen die Mauer des Sündenturms, wo er abfederte und zurückprallte wie ein Ball von einer Steinplatte. Die nächsten sechs oder sieben Bediensteten, die sie umringten, trugen kurze Schwerter und Armbrüste.
    »Ihr habt ja keine Ahnung, mit wem ihr euch anlegt!«, bellte einer von ihnen.
    »Ganz im Gegenteil«, flüsterte eine heisere weibliche Stimme vom Dienstboteneingang, »ich glaube, das wissen die beiden sehr wohl.«
    Selendri trug ein Abendkleid aus blauer und roter Seide, das so viel gekostet haben musste wie eine vergoldete Kutsche. Ihr verkrüppelter Arm wurde von einem Ärmel bedeckt, der bis zu ihrer Messinghand reichte; der gesunde, glatte Arm blieb frei und war mit Reifen aus Gold und Elderglas

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