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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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geschmückt.
    »Wir haben sie dabei ertappt, wie sie versuchten, sich durch den Dienstboteneingang in den Turm zu stehlen, Herrin«, empörte sich einer der Angestellten.
    »Du hast uns nur in der Nähe des Eingangs erwischt, du dämliches Arschloch.« Locke rappelte sich auf die Knie. »Selendri, wir müssen …«
    »Ich weiß, was ihr wollt«, schnitt sie ihm das Wort ab. An die Diener gewandt fuhr sie fort: »Lasst sie in Ruhe. Ich kümmere mich selbst um sie. Tut so, als sei nichts geschehen.«
    »Aber dieser Idiot … Götter, ich glaube, er hat mir die Rippen gebrochen«, keuchte der erste Mann, mit dem Jean sich beschäftigt hatte. Der andere lag bewusstlos am Boden.
    »Wenn du mir zustimmst, dass nichts passiert ist, lasse ich dich zu einem Arzt bringen«, zischelte Selendri. »Ist etwas passiert?«
    »Unnnh … nein. Nein, Herrin, es ist nichts passiert.« »Gut.«
    Als sie sich umdrehte, um wieder durch die Tür zu verschwinden, kam Locke taumelnd auf die Füße; eine Hand drückte er gegen seinen Bauch, die andere streckte er aus und berührte Selendri an der Schulter. Sie wirbelte herum.
    »Selendri«, krächzte er. »In den Etagen, wo gespielt wird, darf man uns nicht sehen.
    Wir haben …«
    »Ich denke, Sie beide haben sich ein paar einflussreiche Damen der Gesellschaft zum Feind gemacht, weil Sie sich weigerten, Ihnen eine Revanche zu gewähren!« Ärgerlich streifte sie seine Hand ab.
    »Entschuldigung. Und was Sie eben sagten, ist richtig.«
    »Durenna und Corvaleur befinden sich in der fünften Etage. Sie und ich können ab dem dritten Stock den Fahrstuhl benutzen.«
    »Und Jerome?«
    »Valora, Sie bleiben hier unten im Dienstbotentrakt.« Sie bugsierte beide durch die Tür hinein, damit die mit Tabletts beladenen Diener, die geflissentlich die verletzten Männer am Boden ignorierten, fortfahren konnten, von den am wenigsten beschwipsten Feiernden in dieser Stadt Trinkgelder zu kassieren, die dem nächtlichen Fest angemessen waren.
    »Danke«, sagte Jean und verzog sich in einen halb versteckten Winkel hinter einigen hölzernen Regalen, auf denen sich benutztes Geschirr stapelte.
    »Ich werde die Anweisung geben, Sie links liegen zu lassen«, sagte Selendri. »Solange Sie meine Leute nicht belästigen.«
    »Ich werde mich benehmen wie ein Heiliger«, schwor Jean.
    Selendri griff sich einen vorbeieilenden Diener ohne Serviertablett und wisperte ihm ein paar knappe Instruktionen ins Ohr. Locke schnappte die Worte »Hundedoktor« und »Lohnabzug« auf. Dann folgte er Selendri in die Gästeschar des Erdgeschosses, vornübergebeugt, als versuche er, sich unter seinem Umhang und seinem Hut zu verkriechen; insgeheim betete er, dass er außer von Requin von niemandem erkannt würde.

12
     
     
    »Sieben Wochen«, sagte der Herr des Sündenturms. »Selendri war fest davon überzeugt, dass wir Sie nie wiedersehen würden.«
    »Ungefähr drei Wochen hin und drei Wochen zurück«, erwiderte Locke. »In Port Prodigal waren wir kaum eine Woche.«
    »Sie sehen aus, als hätten Sie viel Zeit an Deck verbracht. Haben Sie für Ihre Passage gearbeitet?«
    »Gewöhnliche Seeleute erregen viel weniger Aufmerksamkeit als zahlende Passagiere.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Ist das Ihre natürliche Haarfarbe?«
    »Kann sein. Wer seine Haare so oft färbt wie ich, vergisst, wie sie im Naturzustand aussehen.«
    Die breiten Balkontüren an der Ostseite von Requins Büro standen offen, doch ein feinmaschiges Netz, das über die Öffnung gespannt war, hielt die Insekten draußen.
    Als Locke hindurchschaute, sah er im Hafen zwei Schiffe, die lichterloh brannten, umringt von hunderten Lichtpunkten; das mussten die Laternen der Zuschauer sein, die von kleinen Booten aus das Schauspiel beobachteten.
    »In diesem Jahr werden vier Schiffe verbrannt«, erklärte Requin, als er merkte, dass Locke sich für die Aussicht interessierte. »Eines für jede Jahreszeit. Ich glaube, sie sind gerade mit den Vorbereitungen für das dritte fertig geworden. Wenn auch noch das vierte Schiff niedergebrannt ist, kehrt wieder ein bisschen Ruhe ein. Die Menschen ziehen sich von den Straßen zurück, und in den Kasinos gibt es ein großes Gedränge.«
    Locke nickte und drehte sich wieder um; er wollte wissen, was aus den Stühlen geworden war, die er für Requin hatte anfertigen lassen. Es gelang ihm, ein triumphierendes Grinsen zu unterdrücken und lediglich mildes Wohlwollen zu heucheln. Die vier Replikate standen um einen dünnbeinigen Tisch im

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