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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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selben Stil, auf dem sich ein paar Weinflaschen und ein kunstvolles Blumenarrangement befanden. »Ist das …«
    »Ob das auch eine Nachbildung ist? Leider ja. Ihr Geschenk inspirierte mich, diesen Tisch in Auftrag zu geben.«
    »Mein Geschenk. Da wir gerade davon sprechen …« Locke griff unter seinen Umhang, zog die Geldbörse hervor und legte sie auf Requins Schreibtisch. »Was ist das?«
    »Eine Anerkennung«, antwortete Locke. »In Port Prodigal wimmelt es von Seeleuten, die mehr Münzen haben als Kartenverstand.«
    Requin öffnete die Börse und hob überrascht eine Augenbraue. »Nette Geste«, meinte er. »Sie strengen sich wirklich an, mich nicht zu verprellen, nicht wahr?« »Ich will eine Anstellung bei Ihnen«, betonte Locke. »Jetzt mehr denn je.« »Dann lassen Sie uns über Ihre Mission sprechen. Existiert dieser Calo Callas noch?« »Ja. Er lebt dort unten.«
    »Warum zur Hölle haben Sie ihn dann nicht hierher gebracht?« »Weil er verrückt ist.« »Dann nützt er niemandem etwas.«
    »Das würde ich nicht sagen, Requin. Dieser Mann fühlt sich verfolgt. Er leidet an Hirngespinsten. Er bildet sich ein, dass die Priori und die Kunsthandwerker in Port Prodigal ihre Spitzel haben, an jeder Ecke, in jedem Schiff und in jeder Taverne. Er verlässt kaum noch sein Haus.« Locke freute sich, mit welcher Leichtigkeit er ein imaginäres Leben für einen imaginären Mann erschuf. »Aber Sie müssten einmal sehen, was er in seinem Haus anfertigt. Was er besitzt! Hunderte von Schlössern! Mechanische Geräte! Er betreibt seine eigene Schmiede mit einem eigenen Blasebalg. Von seinem Beruf ist er noch immer so besessen wie eh und je. Sein Handwerk ist ja auch das Einzige, was er in dieser Welt noch hat.«
    »Wieso ist der Schrott eines Wahnsinnigen denn so wichtig?«, fragte Selendri. Sie stand zwischen zwei von Requins exquisiten Ölgemälden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, die Arme verschränkt.
    »Als ich noch glaubte, ich hätte eine Chance, in diesen Tresor einzubrechen, experimentierte ich mit allen möglichen Dingen. Mit Säuren, Ölen, Schleifmitteln, verschiedenen Dietrichen und Werkzeugen. Ich denke, ich verstehe eine Menge von mechanischen Geräten und Einbruchstechniken. Ich weiß, wie man selbst die kompliziertesten Schlösser knackt. Aber dieser Kerl vollbringt wahre Wunder, als Konstrukteur und Erfinder kann ihm niemand das Wasser reichen – auch wenn er fantasiert …« Locke spreizte die Finger und zuckte theatralisch mit den Schultern. »Bei den Göttern, dieser Mann ist ein Genie!«
    »Was könnte ihn dazu veranlassen, hierher zu kommen?«
    »Er verlangt Schutz«, erwiderte Locke. »Er ist durchaus nicht abgeneigt, Port Prodigal zu verlassen. Zur Hölle, er würde lieber heute als morgen von dort weggehen. Aber er fühlt sich auf Schritt und Tritt mit dem Tode bedroht. Er muss wissen, dass jemand mit Macht und Einfluss bereit ist, ihn unter seine Fittiche zu nehmen.«
    »Man könnte ihm auch ganz einfach einen Schlag auf den Kopf verpassen und ihn in Ketten nach Tal Verrar verfrachten«, schlug Selendri vor.
    »Und riskieren, dass er seine Mitarbeit für alle Zeit verweigert? Oder schlimmer noch - ihn total in den Wahnsinn treiben? Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn er aufwacht und findet sich auf einem Schiff wieder. Und diese Reise dauert immerhin drei Wochen. Er würde daran zerbrechen, Selendri. Ich kann nur dringend davon abraten, ihn grob anzufassen.«
    Locke knackte mit den Fingerknöcheln. Es wurde Zeit, die bittere Pille zu versüßen.
    »Hören Sie, offenbar wollen Sie diesen Mann nach Tal Verrar zurückholen. Aber er wird ihren letzten Nerv töten – vielleicht müssen sie für ihn sogar eine Art Pfleger oder Betreuer engagieren, und auf alle Fälle müssen Sie ihn vor den Kunsthandwerkern verstecken – aber die Objekte, die er konstruiert, machen alles, was er Ihnen an Ärger bereitet, hundertfach wieder wett. Er ist der fähigste Mechaniker, den ich je kennengelernt habe. Er muss mir nur glauben, dass ich wirklich in Ihrem Auftrag handele.« »Was schlagen Sie vor?«
    »Ihre Geschäftsbücher und Kreditbriefe tragen ein Wachssiegel. Ich habe es gesehen, als ich bei Ihnen Geld einzahlte. Setzen Sie Ihr Siegel auf ein Blatt Pergament …«
    »Damit ich mich selbst belaste?«, höhnte Requin. »Oh nein!«
    »Daran hatte ich schon gedacht«, räumte Locke ein. »Setzen Sie keinen Namen darauf.
    Kein Datum, keinen Adressaten, kritzeln Sie nicht einmal Ihr übliches ›R‹

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