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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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brannten; er nahm den Finger vom Abzug seiner Armbrust und hielt sie langsam in die Höhe. »Willst du mir nicht wenigstens sagen, warum?«, flüsterte er.
    »Später.« Jean senkte seine Waffe nicht. »Und jetzt gib mir die Armbrust. Langsam.
    Langsam!«
    Lockes Arm zitterte; die extreme Anspannung machte jede seiner Bewegungen ungewöhnlich ruckhaft. Er bemühte sich, seine Emotionen in den Griff zu bekommen, konzentrierte sich und reichte Jean die Armbrust.
    »Gut«, sagte Jean. »Deine Hände bleiben oben. Ihr zwei habt doch sicher Stricke mitgebracht, oder?«
    »Klar.«
    »Ich halte ihn in Schach. Fesselt ihn. An Händen und Füßen, und zurrt die Knoten möglichst fest.«

2
     
     
    Einer der Männer, die ihnen aufgelauert hatten, hob seine Armbrust, sodass sie in die Luft zeigte, und kramte in einer Jackentasche nach dem Strick. Der andere senkte seine Waffe und zückte ein Messer. In dem Moment, als sein Blick von Locke zu seinem Kumpanen huschte, handelte Jean.
    Seine und Lockes Armbrust in den Händen, drehte er sich in aller Ruhe um und schoss jedem ihrer Angreifer einen Bolzen in den Kopf.
    Locke hörte das scharfe Knacken, als die beiden Pfeile losschnellten, aber es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, was sich abspielte. Er stand da, zitternd und mit herunterhängender Kinnlade, während die beiden Fremden blutüberströmt zusammenbrachen, noch eine Weile zuckten und dann starben. Einer der Männer krümmte im Todeskrampf einen Finger um den Abzug seiner Waffe. Es gab einen dritten verhaltenen Knall, der Locke zusammenfahren ließ, und ein Bolzen schwirrte in die Dunkelheit.
    »Jean, du …«
    »Wie schwer war das, mir die verdammte Waffe zu geben?« »Aber du … du sagtest …«
    »Ich sagte …« Jean ließ die Armbrüste fallen, packte Locke bei den Aufschlägen seines Umhangs und fing an, seinen Freund zu schütteln. »Was soll das heißen, ›du sagtest‹?
    Seit wann achtest du auf das, was ich sage?«
    »Du hast mir kein …«
    »Götter, du schlotterst ja am ganzen Leib. Hast du mir diesen Quatsch etwa geglaubt?
    Wie konntest du das glauben?« Jean ließ ihn los und starrte ihn entgeistert an. »Und ich dachte, du hättest dich ein bisschen zu sehr in deine Rolle hineingesteigert!«
    »Du hast mir kein Handzeichen gegeben, Jean! Was zur Hölle sollte ich denn glauben?«
    »Ich hätte dir kein Handzeichen gegeben? Ich gab dir das Zeichen für ›ich lüge‹! Es war genauso wenig zu übersehen wie das verdammte brennende Schiff! Als ich meine Hand hob und diesen Idioten die Innenfläche zeigte!«
    »Du hast nicht …«
    »Doch, ich habe! Als ob ich so was vergessen könnte! Ich kann es nicht fassen! Wie konntest du nur annehmen … wann hätte ich denn die Zeit oder Gelegenheit gehabt, mit irgendjemand anderem einen Handel einzugehen? Wir beide waren zwei Monate lang auf demselben verdammten Schiff!«
    »Jean, ohne das Handzeichen …«
    »Ich habe dir das Zeichen gegeben, du Blödmann! Als ich den zögerlichen Verräter mimte, der mit der Wahrheit rausrückt. ›Offen gesagt, ich weiß, für wen die beiden arbeitend Erinnerst du dich an diesen Satz?«
    »Ja …«
    »Und danach kam das Handzeichen! Das dir sagen sollte: ›Ach, sieh mal einer an, Jean Tannen tut so, als würde er den besten Freund, den er auf dieser beschissenen Welt hat, an zwei Verrari-Spitzel verraten!‹ Müssen wir das vielleicht öfter üben? Ist das wirklich notwendig?«
    »Ich habe dein Handzeichen nicht gesehen! Das schwöre ich bei allen Göttern!«
    »Du hast es verpasst.«
    »Verpasst? Ich – na ja, so muss es wohl gewesen sein. Es war dunkel, überall waren Armbrüste, ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte wissen müssen, dass nicht einmal ein Handzeichen nötig war. Es tut mir leid.«
    Er seufzte und betrachtete die beiden Leichen, aus deren Köpfen wie ein grotesker Schmuck die gefiederten Bolzen ragten.
    »Mindestens einen dieser Dreckskerle hätten wir dringend, dringend verhören müssen.« »Ja«, erwiderte Jean.
    »Trotzdem … du hast verdammt gut geschossen.«
    »Ja.«
    »Jean?«
    »Mm?«
    »Jetzt sollten wir aber wirklich die Beine in die Hand nehmen.«
    »Oh. Ja. Dann mal los.«

3
     
     
    »Schiff ahoi!«, schrie Locke, als das Boot gegen die Seite der Orchidee prallte. Erleichtert lockerte er den Griff um die Riemen; Caldris wäre stolz auf sie gewesen, hätte er gesehen, in welchem Tempo sie aus Tal Verrar herausflitzten, durch eine Flottille aus Priesterdelegationen und

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