Sturm ueber roten Wassern
wer den Bogen gespannt hat.« Sie löste die Kordel, die ihr graues Haar zusammenhielt, und ließ es frei in der schwülen Brise flattern. »Was hast du vor?«
»Das liegt doch wohl auf der Hand, denke ich. Ich suche Drakasha und werde sie daran hindern, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sie darf nicht so viel Schaden anrichten, dass der Archont genau das bekommt, was er will. Nämlich einen Grund, die Piraten vom Geisterwind-Archipel zu vernichten.«
»Aber auf welche Weise willst du sie davon abhalten, die Gewässer um Tal Verrar unsicher zu machen? Gehst du mit der Tyrann längsseits und bittest Drakasha höflich, lieber doch stillzuhalten?«
»Ich werde sie warnen. Sie kriegt von mir eine letzte Chance, es sich noch einmal anders zu überlegen.«
»Du willst Drakasha ein Ultimatum stellen?« Sie runzelte so heftig die Stirn, dass jede Falte ihres Gesichts sich in die Breite zog. »Jaffrim, du weißt doch ganz genau, wie sie auf jede Art von Drohung reagiert: wie ein im Netz gefangener Hai. Wenn man sich einer solchen Kreatur nähert, beißt sie einem glatt den Arm ab.«
»Dann kommt es zu einem Kampf. Mir bleibt keine andere Wahl.«
»Und wie wird ein solcher Kampf deiner Meinung nach ausgehen?«
»Ich habe das größere Schiff und eine um achtzig Mann stärkere Besatzung. Und ich werde keine Gnade walten lassen.« »Dann wirst du Zamira töten.« »Darauf läuft es wohl hinaus …«
»Aber du solltest es so deichseln, dass sie nicht im Kampf fällt.«
»Warum das?«
»Denk doch einmal nach«, mahnte Colvard. »Zamiras Handlungsweise mag ja so riskant sein, dass wir dieses Treiben nicht tolerieren können, doch in einer Hinsicht ist ihre Logik unanfechtbar.«
»Wie meinst du das?«
»Wenn du sie, diesen Ravelle und Valora einfach nur umbringst, dann wäre das so, als würde man eine Wunde verbinden, die bereits eitert. Die Fäulnis frisst sich nach innen.
Wir müssen Maxilan Stragos’ Ehrgeiz befriedigen, und zwar gründlich.«
»Colvard, mir geht allmählich die Geduld aus. Erkläre mir mit einfachen Worten, worauf du hinauswillst.«
»Stragos braucht einen Sieg, nicht nur, weil er maßlos eitel ist, sondern auch, weil er die Einwohner dieser Stadt auf seine Seite ziehen will. Wenn dieser Sieg in den Gewässern vor Tal Verrar errungen wird und obendrein spektakulär ist, dann hat er es gar nicht mehr nötig, seine Flotte in den Geisterwind-Archipel zu schicken und uns hier zu belästigen.«
»Wir bringen an seinem Altar ein Opfer«, flüsterte Rodanov. »Wir legen Zamira auf den Altar.«
»Nachdem Zamira einigen Schaden angerichtet hat. Nachdem sie dafür gesorgt hat, dass in der Stadt Panik ausbricht. Wenn die gefürchtete Piratin, die berüchtigte Zamira Drakasha, auf deren Kopf eine Belohnung von fünftausend Solari ausgesetzt ist, in Ketten in einem Triumphzug durch Tal Verrar geführt wird … wenn man sie verurteilt, kurz nachdem sie die Dreistigkeit hatte, die Stadt ein zweites Mal anzugreifen …«
»Dann hätte Stragos gewonnen. Und Tal Verrar würde sich geschlossen und in Dankbarkeit hinter ihn stellen.« Rodanov seufzte. »Zamira in einem Käfig über der Halde der Seelen.«
»Und alle wären zufrieden«, meinte Colvard.
»Vielleicht gelingt es mir nicht, sie gefangen zu nehmen.«
»Was immer du dem Archonten auslieferst, ist von Wert. Wenn er Zamira bekommt, egal, ob tot oder lebendig, dann hat er seine Trophäe, und die Verrari werden in Scharen auf die Straßen strömen, um sie zu sehen. Ich denke, es wäre das Beste, ihm auch das zu überlassen, was von der Orchidee noch übrig sein wird.«
»Ich mache die Drecksarbeit. Und dann überreiche ich ihm den Siegerlorbeer.«
»Und der Geisterwind-Archipel bleibt verschont.«
Rodanov starrte eine geraume Weile über die Bucht, ehe er wieder das Wort ergriff:
»Das nehmen wir an. Aber uns bleibt gar nichts anderes übrig, als dem Archonten Zamira auf einem Silbertablett zu servieren.«
»Recht hast du. Wann läufst du aus?«
»Mit der Morgentide.«
»Ich beneide dich nicht um die Aufgabe, die Tyrann durch das Tor der Händler zu navigieren.«
»Ich nehme die Salon-Passage.«
»Und das mitten am Tag, Jaffrim? Ist das klug?«
»Jetzt kommt es auf jede Stunde an, ich darf keine Zeit verlieren.« Er schickte sich an, zum Strand zurückzuwaten, sich die Stiefel wieder anzuziehen und seines Weges zu gehen. »Es gibt Situationen, da setzt man alles auf eine Karte.«
Locke merkte, wie ihm plötzlich die Tränen in den Augen
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