Sturm ueber roten Wassern
Betrunkenen, vorbei an der brennenden Galeone und den rußgeschwärzten Überresten der vorhergehenden Opferschiffe, und all dies durch eine Luft, die immer noch mit dichten grauen Dunstschwaden verhangen war.
»Götter!«, rief Delmastro, als sie ihnen durch die Einstiegspforte half. »Was ist passiert? Seid ihr verletzt?«
»Verletzt sind nur meine Gefühle«, ächzte Jean. »Das viele Blut habe ich mir für diesen Anlass ausgeborgt.«
Locke blickte an seinem vornehmen Umhang hinunter, der mit dem Lebenssaft von mindestens zweien ihrer Angreifer besudelt war. Er und Jean sahen aus wie beschwipste Amateurmetzger.
»Habt ihr bekommen, was ihr braucht?«, fragte Delmastro.
»Was wir brauchen, haben wir gekriegt. Was wir vielleicht wollten, hat man uns nicht gegeben. Und von den bei allen Göttern verfluchten geheimnisvollen Angreifern, die uns in dieser Stadt keinen Moment lang in Ruhe lassen, haben wir mehr abbekommen, als uns lieb ist.«
»Wer ist denn so hartnäckig hinter euch her?«
»Wir haben keinen blassen Schimmer«, antwortete Locke. »Woher wissen diese Arschlöcher überhaupt, wer wir sind und wo wir uns gerade aufhalten? Fast zwei Monate waren wir nicht in der Stadt! Wo waren wir unvorsichtig?«
»Im Sündenturm«, gab Jean ein wenig verlegen zu bedenken.
»Aber wieso haben sie uns dann am Anleger aufgelauert? Verdammt tüchtig!«
»Wurdet ihr verfolgt, als ihr zum Schiff zurückgepullt seid?«, fragte Delmastro prüfend.
»Wir wissen es nicht«, räumte Jean ein. »Aber es wäre töricht, noch länger zu bleiben.«
Delmastro nickte, setzte ihre Bootsmannspfeife an die Lippen und stieß die drei vertrauten schrillen Pfiffe aus. »In die Kühl! Spillspaken anschlagen! Alle Mann klar zum Ankerlichten! Bootsmannsgang, klarmachen zum Booteinholen!«
»Ihr zwei seht besorgt aus«, sagte sie zu Locke und Jean, als rings um sie an Deck die vertraute Hektik ausbrach.
»Ist das ein Wunder?« Locke massierte seinen Bauch an der Stelle, wo der Rausschmeißer des Sündenturms ihm das Knie reingerammt hatte – es tat immer noch weh. »Wir sind noch mal davongekommen, aber auf dem Rückweg hat uns jemand verdammt viel Ärger bereitet.«
»Wisst ihr, was ich gern tue, wenn ich schlechte Laune habe oder niedergeschlagen bin?«, säuselte Ezri. »Dann kapere ich mit Vorliebe ein Schiff.« Sie hob einen Finger und deutete langsam über die umhereilenden Matrosen hinweg zum offenen Meer, wo gerade noch ein anderes Schiff zu erkennen war, beleuchtet von den Hecklaternen, die sich als winzige Lichtpunkte gegen den dunklen südlichen Horizont abhoben. »Oh, schaut nur – da ist ja eines!«
Kurz darauf klopften sie an Drakashas Kajütentür.
»Ihr könntet euch nicht mehr auf den Beinen halten, wenn das euer eigenes Blut wäre«, stellte sie nüchtern fest, als sie sie zum Eintreten aufforderte. »Darf ich hoffen, dass es von Stragos stammt?«
»Leider muss ich Ihre Hoffnung enttäuschen«, erwiderte Locke.
»Zu schade. Na ja, Hauptsache, ihr seid zurückgekommen. Das ist erfreulich.«
Paolo und Cosetta lagen eng umschlungen in ihrem kleinen Bett und schlummerten friedlich. Drakasha schien es nicht für nötig zu halten, in ihrer Anwesenheit zu flüstern. Locke grinste und erinnerte sich, dass auch er als Kind gelernt hatte, selbst bei größtem Lärm zu schlafen.
»Habt ihr Fortschritte gemacht?«, wollte Drakasha wissen.
»Wir haben Zeit herausgeschunden«, antwortete Locke. »Und wir sind heil aus Tal Verrar rausgekommen. Das war keine Selbstverständlichkeit.«
»Käpt’n«, unterbrach Delmastro, »wir fragen uns, ob wir mit dem nächsten Teil unseres Planes nicht vielleicht schon etwas früher beginnen können. Zum Beispiel jetzt gleich.«
»Wollt ihr an Land gehen und ein bisschen mitfeiern?«
»Ungefähr zwei Meilen Süd zu West wartet eventuell ein Tanzpartner auf uns. Weit weg von der Stadt, außerhalb der Riffe …«
»Und zurzeit ist die Stadt voll und ganz mit der Festa beschäftigt«, fügte Locke hinzu.
»Es wäre ein Blitzbesuch, wie wir es besprochen hatten«, fuhr Ezri fort. »Die Leute aufscheuchen, dass sie sich in die Hosen pinkeln, die Schiffskasse und die tragbaren Güter schnappen, Sachen über Bord werfen, ein paar Leinen kappen, die Takelage zerstören …«
»Ich denke, irgendwo müssen wir wohl anfangen«,- seufzte Drakasha. »Del, schick Utgar nach unten, er soll ein paar Seidendecken und Kissen holen. Ich will, dass er für die Kinder im Kabelgatt ein behelfsmäßiges
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