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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Schiff am nächsten lag. Diese ungefähr fünfzehn Yards lange Yacht besaß einen einzigen Mast und an jeder Seite vier Riemen. Die Ruder waren nun gepiekt und schräg geneigt wie die Schwingen eines ausgestopften Vogels. Direkt achterlich vom Mast befand sich ein zeltähnlicher Pavillon mit leicht flatternden Seidenwänden.
    Dieses Zelt stand zwischen dem Wächter und dem Festland.
    Blinzelnd spähte der Mann auf sie hinunter. Zamira trug ein dickes, formloses gelbes Kleid, das fast schon eine Robe war. Ihren Hut hatte sie in der Kajüte gelassen und die Reifen von ihren Handgelenken und aus ihren Haaren entfernt.
    »Was willst du?«
    »Meine Herrin hat mich zurückgelassen, damit ich auf dem Schiff arbeite, während sie sich an Land vergnügt«, erklärte Zamira. »Ich muss ein paar schwere Sachen heben und habe mich gefragt, ob ich Sie nicht um Hilfe bitten könnte.«
    »Du willst, dass ich zu dir aufs Schiff komme und mich dort abschleppe wie ein Kuli?«
    »Wenn Sie so freundlich wären.«
    »Und … äh … was kriege ich dafür?«
    »Nun, ich könnte den Göttern von Herzen für Ihre Güte danken«, erwiderte Zamira, »oder hätten Sie vielleicht Lust auf ein Tässchen Tee?«
    »Hast du eine eigene Kabine auf dem Schiff?«
    »Ja, meine Herrin ist sehr großzügig …«
    »Ein paar Minuten in deiner Kabine, mit dir und deinem Mund, und ich schleppe den ganzen Mist.«
    »Wie … wie ungehörig. Meine Herrin wird …«
    »Wer ist deine Herrin überhaupt?«
    »Die Hohe Dame Ezriane de la Mastron, aus Nicora …«
    »Nicora? Ha! Das interessiert mich einen Scheißdreck! Verpiss dich!« Verächtlich lachend wandte der Wächter sich ab.
    »Also gut«, erwiderte Zamira. »Ich weiß, wann ich nicht erwünscht bin.«
    Sie griff nach vorn und zog die graubraune Persenning weg, die vor ihren Füßen lag.
    Darunter steckte die schwerste Armbrust aus den Waffenbeständen der Orchidee, auf der ein mit Widerhaken versehener Stahlbolzen lag, der so lang war wie ihr Oberarm.
    »Aber es ist mir scheißegal!«
    Zum maßlosen Entsetzen des Wächters tauchte zwei Sekunden später die Spitze eines Armbrustbolzens aus seiner Brust auf. Zamira fragte sich, ob er noch Zeit hatte zu spekulieren, wo der Rest des Bolzens steckte, ehe er mit durchtrenntem Rückgrat zusammenbrach.
    Zamira zog sich das gelbe Kleid über den Kopf und warf es in das Heck des Bootes.
    Unter der Robe trug sie ihre Elderglasweste, eine leichte Tunika und Kniehosen, dazu Stiefel und schmale, lederne Armschützer. Der Schwertgurt um ihre Taille war leer; sie zog die Säbel aus ihrem Versteck unter der Ducht und schob sie in die Scheiden. Dann pullte sie das kleine Boot an die Seite der Yacht und winkte Nasreen zu, die im Bug der Orchidee stand. Zwei Crewmitglieder kletterten über die Seite der Brigg und tauchten ins Wasser ein.
    Eine Minute später waren die Schwimmer längsseits. Zamira half ihnen aus dem Wasser und schickte sie nach vorn, um ein Paar Riemen zu bemannen. Dann zog sie die Bolzen, um die Ankerketten von der Yacht zu trennen; es wäre Zeitverschwendung gewesen, die Anker einzuholen. Mit den beiden Matrosen, die pullten, und Zamira an der Ruderpinne hatten sie die Yacht binnen weniger Minuten hinter die Giftorchidee gesetzt.
    Leise kletterte ihre Mannschaft in die Yacht hinunter, bewaffnet und gepanzert, völlig harmlos aussehend, als sie sich in das zierliche, mit Schnitzereien übersäte Boot zwängte. Zamira zählte vierundvierzig Matrosen, bis das Boot voll war; ihre Leute kauerten auf Deck, quetschten sich in die Kabine und bemannten sämtliche Riemen.
    Das würde reichen; nahezu zwei Drittel ihrer Besatzung ging an Land, um den Hauptangriff zu führen, und das andere Drittel blieb auf der Orchidee und würde mit einem Pfeilhagel und im Enterkampf die anderen Schiffe im Hafen bearbeiten.
    Sie winkte Utgar zu, der die Verantwortung für dieses Kommando übernahm. Utgar grinste und verließ die Einstiegspforte, um seine Vorbereitungen zu beenden.
    Zamiras Rudergasten brachten die Yacht um die Orchidee herum; gleich hinter ihrem Heck drehten sie nach backbord und steuerten geradewegs den Strand an. Dahinter sah man die Gebäude und terrassierten Gärten dieses reichen kleinen Tals, ordentlich ausgebreitet wie ein Festessen vor Beginn des Banketts.
    »Wer hat den krönenden Abschluss mitgebracht?«, fragte Zamira.
    Einer ihrer Matrosen entfaltete ein rotes Seidenbanner und befestigte es an der Flaggleine, die vom Mast der Yacht baumelte.
    »Los

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