Sturm ueber roten Wassern
geht’s!« Zamira kniete im Bug nieder und rückte gewohnheitsmäßig ihren Schwertgurt zurecht. »Klar bei Riemen, rudert an! Pullt, was das Zeug hält! Bringt uns auf den Strand!«
Während die Yacht über das ruhige Wasser der Bucht glitt, bemerkte Zamira, wie ein paar kleine Gestalten auf den Klippen offensichtlich Verdacht schöpften. Ein paar von ihnen rannten in Richtung der Stadt; es sah ganz danach aus, als würden sie ungefähr im selben Moment dort eintreffen, in dem Zamira erwartete, den Sand des Strandes unter ihren Stiefeln zu spüren.
»Strengt euch an, Leute!«, brüllte sie. »Hisst die rote Flagge, und macht ein bisschen Musik!«
Als das scharlachrote Banner die Flaggleine hochstieg und anfing, im Wind zu flattern, brachen die Piraten auf der Yacht in ein wildes, unartikuliertes Geheul aus. Ihre Schreie hallten durch den Hafen, die verkleideten Kameraden auf dem Kai griffen nach ihren Waffen, jede Person, die auf den Klippen zu sehen war, flüchtete sich nun in die Stadt, und Zamiras Säbel blitzten im Sonnenlicht, als sie sie zog, um sich damit in den Kampf zu stürzen.
Es war der Inbegriff eines wunderschönen Morgens.
10
»War es wirklich nötig, Salon Corbeau so gründlich auszuplündern?«, fragte Stragos.
Locke und Jean saßen im Büro des Archonten, umgeben von den schwachen, schattenhaften Flügelschlägen seiner tausend mechanischen Insekten. Es konnte an der matten Beleuchtung des Raums liegen, aber Locke kam es so vor, als hätten sich die Falten in Stragos’ Gesicht vertieft, seit sie ihn vor wenigen Tagen das letzte Mal gesehen hatten.
»Es hat ungeheuren Spaß gemacht. Liegt Ihnen dieser Ort irgendwie am Herzen?«
»Es geht nicht um mich selbst, Lamora – ich hatte nur ganz entschieden den Eindruck, dass Sie Ihre Aktivitäten auf Schiffe in der Nähe von Tal Verrar konzentrieren wollten.«
»Allgemein ist man der Ansicht, dass sich Salon Corbeau in der Nähe von …«
»Ist es ein Schiff, Lamora?«
»Im Hafen lagen Schiffe …«
»Meine Agenten haben mir die genauen Zahlen verschafft -bei den Göttern!«, fluchte Stragos. Mit zwei Fingern stach er auf ein Blatt Pergament ein. »Zwei gesunkene Feluken. Sechsundvierzig Yachten, Vergnügungsboote und kleinere Wasserfahrzeuge entweder versenkt oder verbrannt. Einhundertundachtzehn Sklaven wurden gestohlen. Neunzehn Leibwachen der Gräfin Saljesca getötet, sechzehn verwundet. Fast alle Residenzen und Gästevillen von Salon Corbeau gingen in Flammen auf, sämtliche Gärten hat man verwüstet. Das nachgebildete Stadion – völlig ausgebrannt. Die entstandenen Schäden und Verluste belaufen sich nach ersten Schätzungen auf eine Summe von über fünfundneunzigtausend Solari. Das Einzige, was nicht angerührt wurde, sind ein paar Werkstätten, Läden und Lady Saljescas Anwesen.«
Locke grinste hämisch. Dahinter steckte eine bestimmte Taktik; nachdem Saljescas bedeutendste Gäste sich in ihr festungsgleiches Domizil geflüchtet und sich dort zusammen mit den noch verbliebenen Soldaten verbarrikadiert hatten, wäre es sinnlos gewesen, das Haus anzugreifen; die Piraten wären vor den Mauern niedergemetzelt worden. Doch als erst die einzigen Gegner, die ihnen hätten gefährlich werden können, oben im Tal festsaßen, hatte Drakashas Crew über eine Stunde lang unbehelligt Amok laufen, plündern und das Tal nach Lust und Laune verwüsten können. Bei dem Angriff hatten sie nur fünf Matrosen verloren.
Und was die Werkstätten und Läden betraf, nun ja – Locke hatte darauf bestanden, dass die Gegend um das Geschäft der Familie Baumondain in Ruhe gelassen wurde.
»Uns fehlte die Zeit, um alles niederzumachen«, erwiderte er. »Und jetzt, da Salon Corbeau quasi in Schutt und Asche liegt, sind vielleicht einige der dort ansässigen Kunsthandwerker geneigt, sich in Tal Verrar niederzulassen. Hier unten sorgen Sie und das Militär für Sicherheit, nicht wahr?«
»Wie schaffen Sie es, einen derartigen Überfall so präzise und gründlich durchzuführen, während Ihre Bemühungen, mein Hauptziel zu erreichen, reichlich nachlässig ausfallen?«
»Ich verwahre mich dagegen …«
»In der Nacht der Festa greift Orrin Ravelle eine Iridani-Ketch an, die von einem verrückten Exzentriker gechartert wurde. Zwei weitere Berichte von Überfällen, beide unweit von Salon Corbeau, einmal durch Ravelle und das andere Mal durch den unbekannten ›Kapitän de la Mastron‹. Fürchtet sich Drakasha, diese Angriffe auf ihre eigene Kappe
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