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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Mantel in den Händen auf ihn wartete. Ehe Locke sich rühren konnte, warf Jean ihm den Mantel über die Schultern.
    »Du Bastard!«, schrie Locke und zog den Mantel mit beiden Händen fester um sich.
    »Du falsche Schlange, du verfluchter Mistkerl! Ich hoffe nur, dass ein Hai sich erbarmt und versucht, an deinem Pimmel zu lutschen!«
    »Sieh an, sieh an, Meister Lamora«, frotzelte Jean. »Du hast ein Schloss geknackt und bist aus einem Fenster geklettert. Gerade so, als seist du früher mal ein Einbrecher gewesen.«
    »Ich habe schon Dinger gedreht, für die man gehängt wird, da hast du noch in die Windeln geschissen und an den Titten deiner Mutter genuckelt!«
    »Und ich drehe Dinger, für die man gehängt wird, während du im Zimmer gehockt, deine Depressionen gehätschelt und dein Talent versoffen hast!«
    »Ich bin der beste Dieb in Vel Virazzo«, knurrte Locke, »egal, ob ich sturzbetrunken oder nüchtern bin, ob im Wachen oder im Schlaf. Und das weißt du ganz genau!«
    »Früher hätte ich das glatt geglaubt«, gab Jean zurück. »Aber dieser Meisterdieb war ein Mann, den ich in Camorr gekannt habe; und seit einiger Zeit ist er spurlos verschwunden.«
    »Mögen die Götter deine hässliche Visage verdammen!«, brüllte Locke, sprang Jean an und boxte ihn in den Bauch. Mehr überrascht als verletzt, verpasste Jean ihm einen kräftigen Schubs. Locke taumelte mit wehendem Mantel nach hinten, bemüht, die Balance zu halten – bis er mit einem Mann zusammenstieß, der die Straße entlangkam.
    »Pass doch auf, verdammt noch mal!« Der Fremde, ein Mann mittleren Alters in einem orangefarbenen Rock und der adretten Kleidung eines Beamten oder Gerichtsschreibers, rang ein paar Sekunden lang mit Locke, der sich an ihm festhielt, um nicht hinzufallen.
    »Ich bitte tausendmal um Vergebung«, sagte Locke. »Es tut mir wirklich leid, Herr.
    Mein Freund und ich hatten bloß etwas lebhaft diskutiert; es war einzig und allein meine Schuld.«
    »Das will ich wohl meinen«, erwiderte der Fremde, dem es endlich gelang, Lockes Finger von seinem Rockrevers zu lösen und ihn von sich wegzuschieben. »Du hast eine Fahne wie ein Weinfass! Verdammter Camorri!«
    Locke sah dem Mann hinterher, bis er gute zwanzig oder dreißig Yards weitergegangen war, dann drehte er sich zu Jean um und hielt ihm eine kleine schwarze Lederbörse unter die Nase. Das melodische Klingeln verriet, dass sie eine beträchtliche Anzahl von Münzen enthalten musste. »Ha! Was sagst du dazu, hmmm?«
    »Ich sage, das war ein Kinderspiel. Hat nicht das Geringste zu bedeuten.« »Ein Kinderspiel? Ich bring dich um, Jean, das war –«
    »Du siehst verkommen aus«, legte Jean gnadenlos nach. »Du bist dreckiger als ein Waisenkind aus dem Hügel der Schatten. Du hast abgenommen – obwohl ich gedacht hatte, noch dünner könntest du gar nicht werden. Du hast keine Übungen gemacht, um dich von den Verletzungen zu erholen, und du hast keinen an dich herangelassen, der deine Wunden hätte versorgen können. Stattdessen hast du dich in einer muffigen Kammer versteckt, deine Kondition zum Teufel gehen lassen und die beiden letzten Wochen in einer Tour durchgesoffen. Du bist nicht mehr der Mann, der du einmal warst, und das hast nur du selbst zu verantworten.«
    »So, so.« Locke funkelte Jean erbost an, steckte die Geldbörse in eine Tasche seiner Tunika und rückte den Mantel auf seinen Schultern zurecht. »Du verlangst also eine Demonstration meiner einstigen Geschicklichkeit. Kein Problem. Geh in den Gasthof zurück, räum diese dämliche Wand weg, und warte in unserem Zimmer auf mich. In ein paar Stunden bin ich wieder da.« »Ich …«
    Aber Locke hatte bereits die Kapuze seines Mantels über den Kopf gezogen, schwenkte herum und marschierte die Straße hinunter, hinein in die warme Nacht von Vel Virazzo.

6
     
     
    Jean entfernte die Barrikade aus dem Flur der dritten Etage, gab dem verwirrt dreinschauenden Gastwirt noch ein paar Münzen und machte sich emsig in ihrem Zimmer zu schaffen. Vor allen Dingen lüftete er gut, damit sich die Ausdünstungen eines zwei Wochen langen Besäufnisses durch das offene Fenster verflüchtigen konnten. Nach kurzem Überlegen ging er noch einmal hinunter in die Schankstube und kam mit einer Glaskaraffe voller Wasser zurück.
    Jean pilgerte besorgt in dem winzigen Raum auf und ab, als Locke rund vier Stunden später, kurz nach der dritten Morgenstunde, ins Zimmer platzte. Er stellte einen gewaltigen Weidenkorb auf den Tisch,

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