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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Jean.
    »Über verschüttetes Bier soll man nicht lamentieren«, meinte Locke. »Jeder, der uns in Tal Verrar freundlich gesinnt war, wurde von uns entweder bezahlt oder geschmiert.
    Es war uns nicht möglich, Freundschaften zu schließen. Bedauerlich, denn jetzt könnten wir einen Freund gut gebrauchen.« Er stellte sich neben Jean an die Reling und tat so, als betrachte er genauso intensiv das Meer wie sein größerer Freund, doch alles, woran er denken konnte, waren die in Segeltuch gehüllten Leichen, die klatschend ins Wasser eintauchten.
    Tote, die über die Bordwand in die Tiefe stürzten, durch Leinen gesichert, so wie er und Jean geplant hatten, sich in die Tiefe …
    »Leck mich doch am Arsch!«, rief Locke spontan aus. »Ein Freund. Ein Freund. Das ist es, was wir brauchen, verdammt noch mal! Stragos und Requin haben wir an der Nase herumgeführt. Aber um wen haben wir uns in den vergangenen zwei Jahren nicht gekümmert? Wen haben wir links liegen lassen?«
    »Die Tempelpriester?«
    »Gut geraten, aber die meine ich nicht – für wen steht bei diesem ganzen Schlamassel eine Menge auf dem Spiel?« »Die Priori?«
    »Die Priorix«, bekräftigte Locke. »Diese fetten, geheimnistuerischen, intriganten Bastarde.« Locke trommelte mit den Fingern auf die Reling; er versuchte, seine Sorgen zu verdrängen und ein Dutzend unzusammenhängender, sinnloser Gedanken zu einem konkreten Plan zu vereinigen. »Denk nach. Wen von den Priori könnten wir beim Glücksspiel getroffen haben? Wer von ihnen treibt sich im Sündenturm herum?«
    »Ulena Pascalis.«
    »Nein, die hat gerade mal einen Platz am Spieltisch gekriegt.«
    »De Morella …«
    »Nein. Götter, den nimmt doch keiner ernst. Wer könnte die Priori dazu veranlassen, etwas wirklich Tollkühnes zu unternehmen? Wer ist schon so lange Mitglied des Rates, dass er entweder so viel Respekt genießt, dass man auf ihn hört, oder über so viel Macht verfügt, dass er Druck ausüben kann? Wir müssen uns Zugang zum Inneren Zirkel der Sieben verschaffen. Jeder andere kann uns gestohlen bleiben.«
    Die politischen Realitäten der Priori zu durchschauen glich der Wahrsagerei aus Hühnereingeweiden, fand Locke. Der Rat der Kaufleute bestand aus drei Ebenen von jeweils sieben Mitgliedern; die Funktion eines jeden Sitzes in den beiden unteren Schichten war öffentlich bekannt. Von den Mitgliedern des Zirkels der Inneren Sieben wusste man lediglich die Namen – ihr Platz innerhalb der Hierarchie und die Art ihrer Pflichten blieb für Außenstehende jedoch ein Geheimnis.
    »Cordo«, sagte Jean.
    »Der alte Cordo oder Lyonis?«
    »Beide. Marius gehört dem Zirkel der Inneren Sieben an, Lyonis ist auf dem Weg dorthin. Und Marius ist älter als Perelandros Eier. Wenn jemand die Priori beeinflussen kann, wohl um irgendetwas Verrücktes anzustellen, wie es dir gerade im Kopf herumspukt …«
    »Mein Plan ist nur ein bisschen verrückt.«
    »Ich kenne diesen verdammten Ausdruck auf deinem Gesicht! Ich bin mir sicher, dass einer der beiden Cordos der richtige Mann für dich ist. Nur schade, dass wir den Arschlöchern nie persönlich begegnet sind.« Jean sah Locke argwöhnisch an. »Du hast wirklich diesen komischen Ausdruck im Gesicht. Was schwebt dir vor?«
    »Ich will … was ist, wenn ich alles will? Wieso planen wir eigentlich unseren Selbstmord, ohne uns weitere Optionen zu überlegen? Lass uns zuerst etwas anderes versuchen. Wir geben Requin eins auf den Sack. Ziehen den Coup durch. Dann treten wir Stragos in die Eier. Quetschen eine Antwort oder das Gegengift aus ihm heraus.
    Zum Schluss kriegt er dann, was er verdient.« Locke tat so, als würde er einen unsichtbaren Archonten erdolchen. Er fand es so befriedigend, dass er die Pantomime gleich noch einmal aufführte. »Und wie zur Hölle machen wir das?«
    »Das ist die große Frage«, räumte Locke ein. »Die intelligenteste Frage, die du je gestellt hast. Ich weiß jetzt schon, dass wir ein paar Dinge brauchen. Erstens – nach allem, was bis jetzt passiert ist, können wir davon ausgehen, dass ganz Tal Verrar uns mit Armbrüsten und Fackeln im Hafen empfangen wird. Wir müssen uns besser verkleiden. Welcher der Zwölf Götter hat die schlampigsten Priester?« »Callo Androno«, antwortete Jean.
    »Möge ER mir verzeihen, aber du hast es erfasst«, sagte Locke.
    Callo Androno, Bewacher der Kreuzwege, Gott des Reisens, der Fremdsprachen und der Sagen und Märchen. Sowohl seine Wanderpriester als auch die sesshaften

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