Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
Vom Netzwerk:
Requin auf.
    »Verflixt noch mal«, brummte Locke und deckte hastig die nächsten sechs Karten auf. »Acht Türme? Drei Türme? Drei Kelche? Das Siegel der Zwölf Götter? Fünf Schwerter? Scheiße! Die Herrin der Blumen?« Jedes Mal schüttelte Requin den Kopf.
    »Nanu? Entschuldigen Sie bitte.« Locke legte das Kartenpäckchen auf Requins Tisch ab, dann befingerte er mit der linken Hand den Verschluss an seinem rechten Ärmel.
    Er schob den Ärmel bis über den Ellenbogen hoch und wieder herunter, dann machte er die Schließe wieder zu. Plötzlich hielt er ein neues Kartenspiel in der Linken.
    »Mal sehen … Sieben Schwerter? Drei Türme? Nein, die hatten wir schon … Zwei Kelche? Sechs Kelche? Meister der Schwerter? Drei Blumen? Verflixt und zugenäht.
    Das Spiel war doch nicht so gut, wie ich dachte.«
    Locke legte den zweiten Pack auf das Kartenspiel, das bereits auf Requins Schreibtisch lag; dann schien es, als kratze er eine juckende Stelle oberhalb der schmalen schwarzen Schärpe, die sich über seinem Hosenbund befand, und wie durch ein Wunder erschien ein drittes Kartenspiel in seiner Hand. Er grinste Requin an und lupfte die Augenbrauen.
    »Dieser Trick würde noch viel besser klappen, wenn ich meine rechte Hand benutzen könnte.«
    »Mir scheint, mit Ihrer Linken kommen Sie ganz gut zurecht.«
    Locke seufzte und schnippte die oberste Karte des neuen Päckchens auf den Tisch.
    »Neun Kelche! Kommt Ihnen die Karte nicht bekannt vor?«
    Requin lachte und schüttelte den Kopf. Locke legte das dritte Spiel auf den wachsenden Turm aus Päckchen, stand auf und zauberte einen vierten Packen aus irgendeinem Versteck in seinen Hosen hervor.
    »Natürlich würden Ihre Angestellten es merken«, meinte Locke, »wenn ich an meinem Körper vier Kartenspiele versteckt hätte … wo sie doch so geschickt darin sind, einen Mann zu filzen, dem sie vorher Jacke und Schuhe abgenommen haben … Moment mal, sagte ich eben vier Kartenspiele? Ich glaube, ich habe mich verzählt …«
    Er fasste unter seine seidene Tunika und förderte ein fünftes Päckchen zutage, mit dem er den zunehmend wackeliger werdenden Turm aus Spielkarten an der Schreibtischkante krönte.
    »Selbstverständlich wäre es mir unmöglich gewesen, fünf Kartenspiele unter den wachsamen Augen Ihrer Angestellten hier reinzuschmuggeln, Meister Requin. Man stelle sich vor, fünf Päckchen – das wäre ja ein Witz! Dennoch sind sie hier -und ich denke, dabei lasse ich es bewenden. Ich könnte zwar noch mehr Spiele auf den Tisch legen, aber dann müsste ich an einigen sehr intimen Stellen herumfummeln. Und zu meinem Bedauern scheint die Karte, die Sie gezogen haben, gar nicht dabei zu sein. Oh, einen Augenblick noch … ich glaube, ich weiß, wo ich sie finden kann …«
    Er fasste über Requins Schreibtisch, versetzte der Weinflasche gleich über dem Boden einen leichten Schubs und schien eine verdeckte Karte, die darunter gelegen hatte, hervorzuziehen.
    »Das ist Ihre Karte«, behauptete er und drehte sie zwischen den Fingern seiner linken Hand. »Zehn Schwerter.«
    »Nicht schlecht!«, lachte Requin und entblößte dabei einen breiten Bogen gelblicher Zähne unter seinen orangeroten, runden Augengläsern. »Alle Achtung! Und das mit nur einer Hand. Doch selbst wenn ich Ihnen zutraue, dass Sie mit solchen Tricks meine Angestellten und die anderen Gäste ständig täuschen konnten … Sie und Meister de Ferra haben viel Zeit mit Glücksspielen verbracht, die wesentlich strenger kontrolliert werden als die Kartentische.«
    »Ich kann Sie darüber aufklären, in welcher Weise wir diese Spiele manipuliert haben. Sie müssen nur meine Hand freigeben.« »Warum sollte ich Ihnen diesen Vorteil verschaffen?«
    »Ich biete Ihnen eine Gegenleistung. Geben Sie meine rechte Hand frei«, wiederholte Locke, bemüht, einen möglichst aufrichtigen Ton anzuschlagen, »und ich verrate Ihnen ganz genau, wo sich die Schwachstellen Ihres angeblich betrugssicheren Systems befinden.«
    Requin blickte auf ihn hinunter, verschränkte seine behandschuhten Finger ineinander und nickte schließlich Selendri zu. Die zog ihre Klingen ein Stück zurück – obwohl sie deren Spitzen weiterhin auf Locke gerichtet hielt – und drückte auf einen Schalter hinter dem Schreibtisch. Lockes Hand kam frei. Taumelnd richtete er sich wieder zu seiner vollen Größe auf und rieb sein schmerzendes rechtes Handgelenk. »Sehr freundlich von Ihnen«, bedankte sich Locke mit geheuchelter Nonchalance.

Weitere Kostenlose Bücher