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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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»Also, wir haben tatsächlich nicht nur an den offenen Tischen gespielt. Aber welche Spiele haben wir tunlichst vermieden? Rot-und-Schwarz. Zähl bis Zwanzig. Der Wunsch einer holden Jungfrau. Alle Spiele, bei denen ein Gast gegen den Sündenturm spielt anstatt gegen andere Spieler. Spiele, die nach den Regeln der Mathematik so angelegt sind, dass sie dem Kasino auf lange Sicht immer einen ordentlichen Gewinn garantieren.«
    »Anders kann man nun einmal keinen Profit machen, Meister Kosta.« »Richtig. Und diese Spiele sind für einen Falschspieler wie mich nicht geeignet; ich benötige einen Menschen aus Fleisch und Blut, den ich übers Ohr hauen kann. Es ist mir egal, wie viel Mechanik Sie einbauen und wie viele Aufpasser Sie abstellen, Meister Requin. Bei einem Spiel unter Gästen findet man immer Mittel und Wege, um zu betrügen, das ist so sicher, wie die Nacht auf den Tag folgt.« »Das sind ja reichlich kühne Worte«, entgegnete Requin. »Ich bewundere es, wenn jemand kurz vor seinem Tod noch eine dicke Lippe riskiert, Meister Kosta. Aber Sie und ich wissen, dass es keine Möglichkeit gibt, um zum Beispiel beim Schwips-Vabanque zu mogeln. Die Regeln kombiniert mit der Mechanik sind dermaßen kompliziert, dass ein Betrug völlig ausgeschlossen ist.«
    »Das stimmt. Weder die Karten noch das Karussell mit den Alkoholfläschchen lassen sich manipulieren – jedenfalls nicht hier im Sündenturm. Aber wenn man das Spiel selbst nicht beeinflussen kann, muss man versuchen, auf die Spieler einzuwirken. Wissen Sie, was bela paranella ist?«
    »Ein Schlafmittel. Teure Alchemie.«
    »Ja. Farblos, geschmacklos, und es wirkt doppelt so stark, wenn es in Verbindung mit Alkohol eingenommen wird. Bei dem Spiel gestern Abend haben Jerome und ich vor jeder Runde unsere Finger damit bestäubt und das Mittel auf diese Weise auf die Spielkarten übertragen. Madam Corvaleur hat die allgemein bekannte Angewohnheit, während des Spiels Konfekt zu naschen und sich dauernd die Finger abzulecken. Früher oder später musste sie eine ausreichende Menge der Droge über die Mundschleimhaut in sich aufnehmen, um das Bewusstsein zu verlieren.« »Ach!« Requin sah aufrichtig verblüfft aus. »Selendri, was sagst du dazu?« »Zumindest kann ich bestätigen, dass die Corvaleur die Unsitte hat, an ihren Fingern zu lecken«, wisperte sie. »Es scheint ihre bevorzugte Methode zu sein, die Gegenspieler zu reizen.«
    »Was ihr auch vortrefflich gelingt«, fuhr Locke fort. »Es war mir ein Vergnügen zu beobachten, wie sie selbst emsig zu ihrer Niederlage beitrug.«
    »Ich gebe zu, dass Ihre Geschichte nicht ganz unglaubwürdig klingt«, räumte Requin ein. »Ich hatte mich schon gewundert, wieso Izmila auf einmal … umkippte.« »In der Tat. Die Frau ist so unverwüstlich wie ein Bootshaus aus Elderglas. Jerome und ich mussten viel mehr Fläschchen leeren als die Gegenpartei; von dem Alkohol, den sie zu sich genommen hat, wäre sie nicht einmal leicht beduselt gewesen, hätte sie nicht gleichzeitig bela paranella konsumiert.«
    »Mag sein. Aber lassen Sie uns über andere Spiele reden. Was ist mit ›Blinde Allianzen‹?«
    Blinde Allianzen spielte man an einem runden Tisch mit hohen, eigens dafür konstruierten Barrieren vor den Händen der Spieler, sodass jeder mit Ausnahme der Person, die einem direkt gegenübersaß (der Spielpartner), zumindest einen Teil des Blattes seiner Gegner sehen konnte. Jeder der zum Schweigen verpflichteten Mitspieler setzte den rechten Fuß auf den linken Fuß des Sitznachbarn, um zu verhindern, dass die Spielpartner sich unter dem Tisch mit Zeichen verständigten. Die beiden Personen, die bei Blinde Allianzen ein Team bildeten, mussten sich nur auf ihren Instinkt und ihre Kombinationsgabe verlassen, da sie einander weder sehen noch hören oder berühren konnten. »Wir benutzten eine ziemlich kindische Methode. Jerome und ich ließen uns Spezialschuhe anfertigen, mit Eiseneinlagen in den Spitzen. Wir konnten die Füße vorsichtig herausziehen, und durch den Druck der Eisenplatte hatte unser Nachbar immer noch das Gefühl, dass ein Fuß auf seinem Schuh stand. Mit dem Code, den wir vorher ausgearbeitet hatten, klopften wir uns Botschaften zu, die ganze Bücher füllen würden. Haben Sie schon mal erlebt, dass jemand bei diesem Spiel so oft gewonnen hat wie mein Partner und ich?« »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!« »Soll ich Ihnen die Schuhe zeigen?«
    »Tja. Sie hatten wirklich eine höchst außergewöhnliche

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