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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Seidenvorhängen abgetrennten Bereich. »Welch ein Vergnügen! Selendri hat mir erzählt, dass Sie einen ausgeprägten Todeswunsch verspüren. Offenbar möchten Sie umgebracht werden.« »Wohl kaum. Ich teilte Ihrer Assistentin lediglich mit, dass ich dauernd falschgespielt habe, unterstützt von meinem Partner. Seit nahezu zwei Jahren haben wir Spiele, an denen wir im Sündenturm teilnahmen, manipuliert.«
    »Jedes Spiel haben Sie manipuliert«, ergänzte Selendri. »Sie sagten ausdrücklich, Sie hätten bei jedem einzelnen Spiel gemogelt!«
    »Na ja«, fuhr Locke achselzuckend fort, »das klang ein bisschen dramatischer. Genauer gesagt haben wir bei fast jedem Spiel betrogen.«
    »Der Mann ist ein Spaßvogel«, flüsterte Selendri.
    »Oh nein«, widersprach Locke. »Nun, gelegentlich bin ich das schon, aber jetzt nicht.«
    Hinter sich hörte Locke Schritte auf dem Fußboden aus Hartholz; jemand kam auf ihn zu. »Sie sind hier aufgrund einer Wette«, behauptete Requin, während er sich näherte.
    »Nicht auf die Art und Weise, wie Sie denken.«
    Requin ging um Locke herum, stellte sich vor ihn hin, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und unterzog ihn einer eingehenden Musterung. Der Mann glich der Statue auf der darunterliegenden Etage aufs Haar; vielleicht wog er ein paar Pfund mehr, und die borstigen, stahlgrauen Locken auf seinem Kopf mochten um eine Spur dünner sein, die Stirnglatze ein wenig ausgeprägter. Der schmal geschnittene Gehrock bestand aus schwarzem Knittersamt, und seine Hände steckten in braunen Lederhandschuhen. Er trug Augengläser, und zu seiner Verwunderung stellte Locke fest, dass der Schimmer, den er in der vergangenen Nacht für Lichtreflexe gehalten hatte, von dem Glas selbst ausging. Die Brillengläser glühten in einem durchscheinenden Orange und verliehen den großen Augen dahinter einen dämonischen Glanz. Es musste sich um ein neuartiges, teures alchemisches Produkt handeln, von dem Locke noch nichts gehört hatte.
    »Haben Sie heute Abend irgendein ungewöhnliches Getränk zu sich genommen, Meister Kosta? Vielleicht einen neuen Wein ausprobiert?«
    »Wenn nicht das Trinkwasser in Tal Verrar hochprozentig ist, dann bin ich so trocken wie von der Sonne gebackener Sand.«
    Requin begab sich hinter seinen Schreibtisch, nahm eine kleine silberne Gabel in die Hand, spießte ein Stück des weißen Fisches auf und zeigte damit auf Locke.
    »Ich soll Ihnen also abkaufen, dass Sie hier seit zwei Jahren mit Erfolg falschspielen; abgesehen davon, dass das unmöglich ist, kommen Sie auch noch anscharwenzelt und legen vor mir ein Geständnis ab. Drückt Sie das schlechte Gewissen?«
    »Nicht im Entferntesten.«
    »Planen Sie ernsthaft, auf exzentrische Art Selbstmord zu begehen?«
    »Es ist meine Absicht, dieses Büro lebend zu verlassen.«
    »Oh, Sie wären ohnehin erst tot, wenn Sie neun Etagen tiefer auf den Pflastersteinen landen.«
    »Vielleicht kann ich Sie davon überzeugen, dass ich Ihnen mehr nutzen kann, wenn ich am Leben bleibe.«
    Requin kaute sorgfältig seinen Fisch, bevor er weitersprach. »Auf welche Weise haben Sie denn betrogen, Meister Kosta?«
    »Hauptsächlich durch geschickte Fingerarbeit.«
    »Tatsächlich? Ich erkenne auf den ersten Blick, wann ich einen Kartenbetrüger vor mir habe. Zeigen Sie mir Ihre rechte Hand.« Requin streckte seine behandschuhte Linke aus, und zögernd hielt Locke ihm die rechte Hand entgegen, als wolle er die Hand seines Gegenübers schütteln.
    Requin packte Lockes Rechte direkt über dem Gelenk und knallte sie auf die Schreibtischplatte – doch anstatt des harten Aufpralls, den Locke erwartete, drückte seine Hand ein verdecktes Paneel zur Seite und rutschte in eine Öffnung direkt unter der Schreibtischplatte. Man hörte ein lautes mechanisches Knacken, etwas Kaltes presste sich auf sein Handgelenk und hielt es fest. Locke zuckte zurück, doch der Schreibtisch hatte seine Hand verschlungen und gab sie partout nicht mehr frei; genauso gut hätte sie zwischen den unnachgiebigen Kiefern eines Raubtiers stecken können. Selendris stählerne Zwillingsklingen bewegten sich lässig auf ihn zu, und er erstarrte.
    »So, so! Hände, Hände, Hände. Sie können ihren Besitzern eine Menge Scherereien machen, Meister Kosta. Selendri und ich sprechen aus Erfahrung.« Requin drehte sich zu der Wand hinter dem Schreibtisch um, schob eine Tafel aus lackiertem Holz zurück, und dahinter erschien ein langes, schmales, in die Wand eingelassenes Regal.
    Darauf

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