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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nachdenken. Auf keinen Fall!
    Sie wandte sich in Gedanken Frau Mügge zu. Die Arme! Ein Kind herzugeben musste schrecklich sein! Sie war überrascht,dass sie zu dieser Überzeugung kam, schüttelte sie aber schnell wieder ab, weil eine ganz andere Frage sie bedrängte. Was würde geschehen, wenn der kleine Mügge starb? Wenn es eine Beerdigung geben würde? Wenn das Familiengrab der Mügges geöffnet wurde ...?
    Allmählich verschwand das Mitleid aus allen Augen, von Tag zu Tag etwas mehr. Der Tod war näher gerückt, seit der Krieg ausgebrochen war, jedes einzelne Schicksal hatte angesichts der großen Gefahr, die über allen schwebte, an Gewicht verloren. Es konnte jeden treffen, zu jeder Stunde. Kein Tod war exklusiv oder erstklassig, auch nicht, wenn er Aletta Lornsen traf.
    Der Inselkommandant bat Aletta zu sich, versicherte ihr sein Mitgefühl und bedankte sich für ihre Bereitschaft, ein Konzert im Soldatenlager des Klappholttals zu geben. Sein Bedauern über Ludwigs Tod fiel allerdings knapp aus, schließlich war er nicht ihr Ehemann gewesen, was Oberst von Rode andererseits begrüßte, da es nicht wünschenswert sein konnte, dass sie mit einem Mann verheiratet war, der nicht in der deutschen Armee Dienst tat. Das sagte er selbstverständlich nicht in dieser Deutlichkeit, ließ es aber so weit durchblicken, dass Aletta ihn verstand.
    Dass sie ihr Kind verloren hatte, war ihm anscheinend zugetragen worden, aber auch hier schien er der Ansicht zu sein, dass erstens das Kind eines Deutschen und zweitens das eheliche Kind einer ordentlich verheirateten Frau wichtiger sein müsse. Doch auch hier hielt er sich mit einer deutlichen Aussage zurück, die sich nicht mit dem Wunsch verstanden hätte, Aletta Lornsen um ein Konzert zu bitten, das den Männern der Inselwache ihren eintönigen Wachdienst erträglicher machte.
    Er hatte sie vor seinen Schreibtisch gebeten, damit sie sich anhörte, wie entzückt er über ihre Bereitschaft war, im Klappholttal für seine Männer zu singen, wie er es nannte, und dass er sie nicht nur für eine berühmte, sondern vor allem für eine sehr attraktive Person hielt. Der Oberst war ein Freund der Weiblichkeit,das war bekannt, auf Sylt hatte er aber noch keine Frau zu Gesicht bekommen, für die sich ein entsprechendes Engagement gelohnt hätte. Das war ebenfalls bekannt. Dass Aletta sich in ihrer Kleidung nicht von den anderen Sylterinnen unterschied, irritierte ihn sichtlich, aber da er wusste, dass sie mit gleicher Selbstverständlichkeit ein aufwendiges Abendkleid tragen konnte, sah er darüber hinweg. Er ließ seinen Charme spielen, seine Augen über ihren Körper wandern, ließ sich sogar zu feinen Anzüglichkeiten herab, bekam aber nicht das Echo, auf das er gehofft hatte. Aletta tat so, als merke sie gar nicht, dass er ihr schöne Augen machte. Seit Ludwigs Tod, nein, schon seit sie ihr altes Leben verlassen hatte, gab es diese Leichtigkeiten nicht mehr, Galanterien waren ihr fremd geworden. Es gelang ihr, mit solcher Eindeutigkeit darüber hinwegzuschauen, dass sie sie am Ende tatsächlich nicht mehr zur Kenntnis nahm. Ihr ging nicht einmal auf, dass der Oberst darüber verärgert war.
    Den liebenswürdigen Tonfall behielt er jedoch bei und berichtete, während er die Enden seines Schnurrbartes zwirbelte, dass ein Pianist gefunden worden sei. »Sogar zwei, um genau zu sein. Ein Oberleutnant und ein Gefreiter! Aber selbstverständlich werde ich Ihnen nicht zumuten, sich von einem gemeinen Soldaten bei Ihrem göttlichen Gesang begleiten zu lassen.«
    Alettas Gesicht blieb so unbewegt, wie Ludwig es ihr früher geraten hatte, wenn sie Komplimente von Männern entgegennehmen musste, die im Schatten einer ganz anderen Absicht daherkamen. »Wenn er gut spielt, ist mir sein Rang egal.«
    Oberst von Rode gab sich empört. Zwar heiße es, sagte er, der Gefreite habe vor dem Krieg als Pianist Erfolge gefeiert, aber auch der Oberleutnant sei ein geübter Klavierspieler. »Allerdings hat er nie vor einem zahlenden Publikum gespielt – völlig unmöglich bei seinem Stand!« Doch seine Fähigkeiten seien nur wenig geringer als die des Gefreiten, fügte der Oberst an.
    Aletta neigte dazu, sich für den Gefreiten zu entscheiden, merkte aber, dass sie diese Möglichkeit nicht erhalten würde.Oberst von Rode hatte seine Entscheidung längst getroffen. »Der Oberleutnant sagt, Sie sollen ihm Ihr Repertoire nennen, und er wird die Begleitung einüben. Alles kein Problem! Eine Generalprobe reicht

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