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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Speicher ein kleines Wunder hervorgebracht hatte. Auch dass sie von Insa belogen worden war, spielte in dieser Stunde keine Rolle. Aber dann klopfte es an der Tür, und Reik Martensen kam ...
    Zwei Abende später sollte ihr Konzert im Klappholttal stattfinden. Vier Duette wollten sie singen, und da Reik es nicht gewöhnt war, sich einem Publikum zu präsentieren, wollte er sie immer und immer wieder üben. Am nächsten Abend sollte die Generalprobe mit dem Pianisten stattfinden.
    Das Heitere, das Gemeinsame, die emotionale Wärme standen noch in der Küche, als Reik eintrat. Doch als hätte er für Durchzug gesorgt, fiel die Tür zu Insas Herzen zu, Kälte fuhr herein und riss mit, was die beiden Schwestern für eine Weile verbunden hatte.
    Insa erhob sich und sagte brüsk: »Ich will nicht stören.«
    Reik griff nach ihrem Arm. »Bleib doch.«
    »Wozu? Um dich zu bewundern?« Die Zurückweisung in ihren Mundwinkeln zitterte zwar, aber in den Augen bewahrte Insa sie eisern. »Ich weiß ja, dass du eine schöne Stimme hast. Und von Aletta weiß es jedermann.« Sie wand sich aus Reiks Griff. »Ihr könnt im Wohnzimmer proben.«
    In diesem Moment betraten Hauptmann Hütten und Leutnant Fritz das Haus. Sie waren wohl in der Hoffnung gekommen, dass sie Insa zu einem Imbiss überreden konnten, denn das Essen, das ihnen in der Baracke des Klappholttals vorgesetzt wurde, schmeckte niemandem. Hütten und Fritz nutzten daher jede Gelegenheit, eine Pause oder den Feierabend in Insas Küche zu verbringen, wo es noch immer großzügig zuging, im Gegensatz zu manch anderem Sylter Haushalt. Vielfach sorgte der fehlendeFischfang bereits für Not. Das wenige, was in den Geschäften zu haben war, wurde von Tag zu Tag teurer, so dass sich die Gemeindevorstände entschlossen hatten, Höchstpreise für die Lebensmittel des täglichen Bedarfs festzusetzen. So durften die Preise für Fleisch und Wurstwaren die Obergrenze von drei Mark pro Kilo nicht überschreiten.
    Von Fisch hatten sich viele ernährt, und der Verkauf von Fisch hatte das Geld gebracht, das nun zum Einkaufen fehlte. Da es keinen Nachschub gab, waren die Lebensmittel seit Kriegsbeginn bereits teurer geworden. In der Pension Lornsen jedoch war die Vorratskammer noch voll genug, um bis zum Weihnachtsfest keine Not zu leiden. Insas Vertrauen, dass der Krieg dann zu Ende sein würde, ließen die beiden Soldaten immer unkommentiert, um sie nicht zur Sparsamkeit aufzufordern.
    Hauptmann Hütten, der ständig hungrig war und sich schon mit gutgefülltem Magen überlegte, wie die nächste Mahlzeit aussehen könnte, steckte den Kopf zur Tür herein. »Ist vielleicht noch was vom Mittagessen übrig?«
    Insa drehte sich nicht zu ihm um, während sie antwortete: »Tut mir leid! Alles aufgegessen!«
    »Aber es war etwas übrig!«, beharrte Hütten. »Sie haben ein paar Kartoffelplätzchen zur Seite gestellt.«
    Aletta, die wusste, dass Sönke sie bekommen hatte, sagte schnell: »Die habe ich gegessen.«
    Hütten maß sie erstaunt von Kopf bis Fuß. »Sie haben einen guten Appetit. Und trotzdem sind Sie so schlank?« Erneut wandte er sich an Insa. »Und das Abendessen?«
    »Die Suppe ist noch nicht fertig.«
    »Brot? Frische Butter?«, versuchte der Hauptmann es weiter und ignorierte, dass Leutnant Fritz hinter ihn trat und ihn am Ärmel zupfte, weil er sich des Hauptmanns und seines unbändigen Appetits schämte.
    »Nichts mehr da«, antwortete Insa. »Morgen früh backe ich neues Brot.«
    »Ich hole schon mal die Noten«, warf Reik ein und trat auf den Hauptmann zu, damit er die Tür freigab.
    »Sie werden für das Konzert üben?«, rief der Leutnant entzückt. »Darf ich zuhören?«
    Reik zögerte und warf Aletta einen fragenden Blick zu.
    Sie nickte. »Du musst lernen, vor Publikum zu singen.«
    Hauptmann Hüttens Blick fiel auf den Teller, den Insa für Sönke angerichtet hatte. »Da ist ja doch noch Brot!«
    Insa machte einen Schritt auf den Teller zu, als wollte sie ihn mit ihrem Körper verdecken. »Das ist nicht für Sie.«
    »Für wen dann?«
    Aletta fiel eher etwas ein als Insa. »Für Okka Mügge. Die Nachbarin hat soeben ihr Kind verloren. Sie hat einfach keine Kraft, sich etwas zu essen zu machen.«
    Insa nickte dankbar. »Ich bringe es ihr gleich rüber.«
    Brummend verzog Hauptmann Hütten sich, und Aletta stellte erleichtert fest, dass die Wärme, die Zuwendung und die wunderbare schwesterliche Kumpanei, die durch Reiks Erscheinen vertrieben worden waren,

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