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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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zurückkehrten.
    Der Leutnant lief schon ins Wohnzimmer, begeistert, dass er die Stimme von Aletta Lornsen zu hören bekommen würde. »Wenn ich das später meiner Familie erzähle ...«
    Er merkte nicht, dass Reik zögerte und Aletta ansah, als wartete er auf eine Erklärung. Erst als sie nicht kam, machte er Anstalten, dem Leutnant zu folgen. Doch in der geöffneten Küchentür blieb er noch einmal stehen. »Ich war auch bei Okka Mügge zum Kondolieren. Ihre Schwiegermutter war eine Nachbarstochter, ehe sie Johann Mügge heiratete und nach Westerland zog. Und die ist nicht bereit, ihrer armen Schwiegertochter etwas zu essen zu machen?«
    »Natürlich ist sie bereit«, antwortete Aletta hastig. »Aber wir wollen ihr helfen, damit sie nicht so viel Arbeit hat.«
    Reik warf noch einen Blick auf den Teller, dann schloss er die Tür hinter sich.
    »Bring das Brot zu Sönke«, flüsterte Aletta ihrer Schwester zu, ehe sie Reik folgte. »Damit es verschwunden ist und niemand mehr daran denkt.«

XII.
    Soldaten! Lasst euch nicht ausfragen! Seid vorsichtig bei euren Unterhaltungen! Spione und Spioninnen treiben sich allerorts auf den Bahnhöfen, in den Zügen und in öffentlichen Lokalen umher. Sie knüpfen mit euch, besonders mit Verwundeten, Unterhaltungen an, bewirten euch und suchen Truppenstellungen, Truppenverschiebungen, Neuformationen und militärische Einrichtungen und Maßnahmen zu erfahren. In verdächtigen Fällen lasst sie durch Wachen festnehmen und achtet während des Transportes darauf, dass sie nichts fortwerfen oder zerreißen. Das stellvertretende Generalkommando.
    Aletta drehte, nachdem sie die Bekanntmachung gelesen hatte, dem Rathaus den Rücken zu und blickte aufs »Miramar«. Zum ersten Mal ohne Bedauern! Insa stärkte ihr den Rücken, sie flüsterte ihr zu, dass es nicht wichtig sei, in einem Luxushotel zu wohnen, Insa erinnerte sie daran, dass ihr Zuhause in der Stephanstraße war und nicht hier, am Ende der Plattform, mit Blick aufs Meer, Insa tröstete sie, indem sie ihr vorhielt, dass sie nun beide eine Familie seien, und sie schien sogar zu flüstern, dass es nicht darauf ankomme, wer ihr Vater sei. Hauptsache, sie, die beiden Schwestern, hielten zusammen.
    Aletta hatte die Zweifel überwunden und konnte nun sogar lächeln, während sie das Fenster betrachtete, an dem sie gestanden und geweint hatte, als sie vom Tod ihrer Mutter erfuhr und Ludwig sie für immer verließ.
    Während sie die Friedrichstraße hinabging, zog die Dämmerung einen hauchzarten Schleier über die Insel. Das Licht schiennoch mühelos hindurch, aber es war grau geworden hinter den Wolken. Ein schöner Sonnenuntergang war nicht zu erwarten, dieser Abend würde ohne den Glanz der Sonne zu Ende gehen, wenn sie sich auf den Horizont senkte und ihn noch rötlich färbte, nachdem sie schon längst im Meer verschwunden war. Die Luft war noch milde, aber die Spitzen des Windes stachen bereits mit herbstlicher Kälte zu. Bald würden die ersten Stürme nach allem greifen, was sie zu fassen bekommen konnten.
    Aletta stockte, als sie die beiden Männer sah, die aus der Elisabethstraße kamen, einer mit einem schweren Spaten über der Schulter, der andere mit einer großen Schaufel. Der Pfarrer lief neben ihnen her, als er jedoch Aletta bemerkte, blieb er stehen und ließ die beiden allein weitergehen. Aletta sah ihnen nach, während der Pfarrer auf sie zutrat. Vor zehn Jahren waren sie kräftige, gesunde Kerle gewesen, die ihre Arbeit nicht nur auf dem Friedhof, sondern auch im Garten des Pfarrhauses verrichtet hatten. Nun hatte der eine ein steifes Bein und bewegte sich nur mühsam vorwärts, der andere schien unter Gicht zu leiden. Die Hände, mit denen er die Schaufel hielt, waren steif und verkrümmt. Mochten sie bisher unter ihren gesundheitlichen Problemen gelitten haben, waren sie nun womöglich froh über ihre Behinderungen. Die hatten vermutlich dafür gesorgt, dass sie ausgemustert worden waren und nicht in den Krieg ziehen mussten.
    Pfarrer Frerich war vor Aletta angekommen und folgte ihrem Blick. »Die Totengräber«, erläuterte er. »Der kleine Mügge soll so bald wie möglich beerdigt werden, damit seine Mutter zur Ruhe kommt.«
    Der Pfarrer ging an Alettas Seite die Friedrichstraße hinunter, als wäre auch sein Ziel die Stephanstraße. Er grüßte mal nach links, mal nach rechts, jeder, der ihnen entgegenkam, kannte ihn. Mancher Gruß galt auch Aletta, von den meisten jedoch wurde sie nach wie vor scheu betrachtet

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