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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Pfarrer gut sichtbar durch die Straßen trug, war wie eine Ohrfeige, ohne dass sie begriff, wem sie verpasst wurde. »Sie verschweigen mir etwas. So wie Insa! Und Sie belügen mich! Genau wie Insa!«
    Sie bogen in die Stephanstraße ein. Der Schritt des Pfarrers veränderte sich nicht, auch seine Mimik und seine Gesten blieben ruhig und unberührt. Er warf Aletta einen Blick zu, als habe er ihr soeben die Beichte abgenommen und ihr alle Sünden verziehen. »Ich gehe jetzt mit Okka Mügge in die Zimmerei Stobart. Sie möchte ihren Kleinen noch einmal sehen, ehe der Sarg geschlossen wird.«
    Aletta machte kehrt und ging die Friedrichstraße zurück. Nicht nach Hause! Nicht dorthin, wo Insa auf sie wartete! Sie musste allein sein. Ihr Kopf war voll wirrer Gedanken, ihr Herz angefüllt mit Ratlosigkeit. Die kleinen Antworten, die sie vorher gefunden hatte, waren wieder zu großen Fragen geworden. Reik Martensen konnte nicht ihr Bruder sein! Sie hatten keinen gemeinsamen Vater! Völlig unmöglich! Die Ähnlichkeiten, die Jorit bemerkt hatte, gab es nicht. Ihre schönen Stimmen waren auch kein gemeinsames Erbe, sondern eine zufällige Fügung. Sie musste wiederganz von vorne anfangen. Dem Rätsel um ihre Herkunft war sie keinen Schritt näher gekommen. Sie hatte es geglaubt, gehofft, aber sie war in die Irre gelaufen. Das Geheimnis ihrer Mutter senkte sich erneut wie eine schwarze Wolke über sie. Das Atmen fiel ihr schwer, als bestünde diese Wolke aus Rauch, der aus einem vernichtenden Feuer aufstieg.
    Die Stimme nahm sie erst wahr, als sie direkt hinter ihr ertönte. »Aletta!« Und nun wurde ihr klar, dass sie ihren Namen schon mehrmals gehört hatte. »Aletta! Warte!« Reik Martensen erschien neben ihr. »Wo willst du hin?«
    Sie sah in sein Gesicht, fand, dass seine Nase ihrer eigenen doch nicht ähnelte und die Augenfarbe auch nicht. »Zum Strand.«
    Er schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn, als könne er nicht glauben, was er hörte. »Hast du schon wieder vergessen, dass das Betreten des Strandes verboten ist?«
    »Ich muss ...« ... allein sein, hätte sie gern ergänzt, wollte aber nicht unhöflich sein. »Ich muss nachdenken«, sagte sie stattdessen.
    Reik griff nach ihrem Arm und zog sie mit. »Ich habe meine Noten bei euch vergessen. Hoffentlich hat Insa sie nicht verbrannt.«
    »Warum sollte sie?«, fragte Aletta und ließ sich in den Rhythmus seiner Schritte fallen.
    »Sie mag es nicht, wenn wir zusammen singen.«
    Aletta wollte darauf nicht eingehen. »Reik, wann ist dein Vater zur See gefahren?«
    Er ließ ihren Arm los und sah sie misstrauisch an. »Warum fragst du das?«
    »War das im Jahr vor meiner Geburt? In dem Jahr, in dem du mit Insa zusammen warst?«
    Er bestätigte es mit einem flüchtigen Nicken und hatte nun seinerseits Mühe, ihr zu folgen, die unbeirrt an dem Schritttempo festhielt.
    »Dein Vater kam zum Biikebrennen zurück?«
    Reiks Stimme klang nun bitter. »Sogar Weihnachten hat er uns alleingelassen. Zwei Mal! Insa war auch nicht bei mir, und meine Mutter so krank ... Diese beiden Weihnachtsfeste würde ich gern vergessen.«
    »Ich bin kurz vor dem Biikebrennen zur Welt gekommen. Nur wenige Tage, bevor dein Vater nach Sylt zurückkehrte.«
    »Was hat deine Geburt mit meinem Vater zu tun?«
    »Nichts«, antwortete Aletta. »Überhaupt nichts.«
    Insa empfing sie mit besorgter Miene. »Ich hatte dich doch gebeten, vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu sein.«
    Aletta warf einen Blick zurück. »Es ist noch nicht dunkel. Außerdem war ich nicht allein. Ich hatte männlichen Schutz.«
    Das besänftigte Insa nicht. Feindselig blickte sie Reik an. »Danke, dass du Aletta begleitet hast.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu, als wollte sie ihn, der gerade einen Schritt ins Haus setzte, hinausdrängen.
    Aber Aletta zog ihn herein und ging mit ihm ins Wohnzimmer. »Dort liegen deine Noten.«
    Reik nahm sie auf, blätterte sie durch, dann fiel ihm auf, dass Insa ihnen gefolgt war und in der offenen Tür stand. »Stört es dich, wenn Aletta und ich noch einmal das Programm durchgehen?« Er sah Aletta an. »Wärst du bereit?«
    Sie nickte, sah aber Insa fragend an. In diesem Augenblick ging die Haustür, Hütten und Fritz kehrten zurück. Insa verzog spöttisch das Gesicht. »Legt ihr Wert auf Publikum? Oder ist es erlaubt, die beiden Herren zur Gemüsesuppe zu bitten?«
    Sie wartete eine Antwort nicht ab, sondern verschwand Richtung Küche. »Nur ein allerletzter Durchgang«, sagte Aletta

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