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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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wollte. Denn an ihrem Fuß stand Reik Martensen und sah fragend zu ihr hinauf.
    Sie starrte ihn an, wartete auf eine Frage, aber er kehrte ohne ein Wort ins Wohnzimmer zurück. Langsam folgte sie ihm. Als sie an der Küchentür vorbeikam, hörte sie, wie Insa den Hauptmann auslachte, weil er angeblich die Flöhe husten hörte und nun sogar schon davon aufgeschreckt wurde, dass ein paar Mäuse durchs Haus huschten.
    Reik hatte die Noten zur Hand genommen und blätterte darin herum, als sie den Wohnraum betrat. »Mir war plötzlich übel«, sagte sie und wusste, wie lächerlich diese Erklärung klang.
    Reik vergewisserte sich, dass die Tür fest im Schloss saß, dann fragte er: »Wen versteckt ihr da oben?«

XIII.
    Die Deutschen haben damit begonnen, einen Festungsgürtel von Antwerpen mit schweren Belagerungsgeschützen systematisch zu beschießen. König Albert befindet sich in der belagerten Stadt, die sich, wie zu vernehmen ist, bereits auf eine Evakuierung vorbereitet.
    Es war eine unruhige Nacht gewesen. Aletta war mehrmals aufgewacht, hatte jedes Mal auf unbekannte Geräusche gelauscht, die sie geweckt hatten, und war dann doch zu der Ansicht gekommen, dass nichts Fremdes die Nacht gestört hatte. Es mussten ihre eigenen Gedanken gewesen sein, die sie aufgeschreckt hatten, der Verlust der kurzen Gewissheit, die ihr für eine Weile Ruhe vermittelt hatte. Das Geheimnis ihrer Mutter war nochnicht gelüftet. Noch immer nicht! Sie musste weitersuchen. Nichts hatte sie bisher erreicht. Gar nichts! Wie gern hätte sie Ludwig um Hilfe gebeten. Oder Jorit! Jorit, der sie noch immer liebte, dessen Liebe sie gar nicht verdiente ...
    Der Wind huschte ums Haus, ein Hund kläffte, eine Katze schrie. Alles wie immer, kein Grund zur Sorge! Beruhigt war sie ein ums andere Mal wieder eingeschlafen und doch wieder hochgeschreckt. Reik Martensen war zu ihrem Mitwisser geworden! Insa hatte sich nicht lange an der Erleichterung gefreut, dass er schweigen wollte. Geschworen hatte er es! Niemals sollte ein Wort über seine Lippen kommen! Aber ihre Ablehnung hatte sich sogar noch gesteigert, während Reik es seinerseits genoss, dass ihn nun wieder etwas mit Insa verband. Aletta selbst hatte keinen Moment daran gezweifelt, dass sie Reik vertrauen konnten, seine Liebe zu Insa, ob sie nun vergangen oder noch wach war, machte ihn zum Idealisten. Nein, vor ihm brauchten sie keine Angst zu haben, sie konnte ganz ruhig sein und wieder einschlafen, Angst und Sorge hatte sie sich eingebildet ...
    Aber als jemand nach ihrer Schulter griff und sie rüttelte, wusste sie sofort, dass sie sich geirrt haben musste. Etwas war geschehen in dieser Nacht.
    Sie starrte Insa ins Gesicht, das in der schwachen Morgendämmerung kaum zu erkennen war. »Was ist passiert?«
    Insa legte einen Zeigefinger auf den Mund und ging zur Tür. Dort blieb sie stehen und wartete darauf, dass Aletta aufstand und ihr folgte.
    »Sönke?«, fragte Aletta flüsternd.
    Insa öffnete geräuschlos die Tür und gab ihrer Schwester ein Zeichen, damit sie ihr folgte. Hastig warf Aletta sich ein Wolltuch ihrer Mutter über und zog sich dicke Socken über die Füße. Insa machte ungeduldig einen Schritt auf den Flur hinaus, deshalb verzichtete Aletta auf Schuhe und huschte hinter ihr her. Insa trug bereits das dunkle Baumwollkleid, das sie sich jeden Morgen über den Kopf zog, ihre Haare hatte sie jedoch nochnicht geflochten, sondern sie mit einem Band notdürftig im Nacken zusammengefasst.
    Aletta wünschte sich, die Standuhr würde in diesem Moment schlagen, damit sie wusste, wie spät es war. Aber im Hause war alles ruhig. Auch in dem Anbau für die Gäste rührte sich nichts. Als sie die Küche betraten, sah sie einen grauen Morgen vor den Fenstern stehen. Während sie Insa in den Garten folgte, bemerkte sie auch den hellen Saum, der sich am Horizont bildete. Der Tag war nicht mehr fern, die Sonne würde in Kürze aufgehen. Es musste bald fünf sein, eine Stunde, in der auf Sylt der Morgen begann. Sie hörte ein Fahrrad über die Straße rumpeln, vielleicht ein Soldat der Inselwache, der seinen Dienst begann. Im Nachbarhaus klappte eine Tür, Schritte raschelten im Gras, dann war das Knarren einer Holztür zu hören. Jemand, der auf die Benutzung des Nachttopfs verzichten wollte!
    Nun hörte sie auch das gequälte Stöhnen! Ein Ächzen, als müsste sich jemand mit aller Macht einen gewaltigen Schmerz verbeißen. Sönke? Ja, er hockte am Rande des Gurkenbeetes, so dicht wie möglich

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