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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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das Zwielicht machte den Raum noch kälter und ungemütlicher. Als sie die Öllampe entzündete, sorgte die Wärme des Lichts wenigstens für etwas Behaglichkeit.
    »In der Küche wäre es vermutlich angenehmer gewesen«, sagte Aletta und lächelte Heussner entschuldigend an. »Dort könnte ich Ihnen einen Tee kochen.«
    Heussner winkte ab. »Vielleicht verschwinden diese drei Möchtegern-Künstler bald.« Er ließ sich am Tisch nieder und zog ein paar Papiere aus der Innentasche seiner Jacke. »Ihre Schwester wird jetzt hoffentlich dafür sorgen, dass sich der Deserteur, den Sie verstecken, nicht verrät?«
    Aletta starrte ihn erschrocken an. »Wie kommen Sie darauf?«
    Heussner lächelte müde. »Besonders schlau war es nicht, Ihre Schwester mit der Nase auf die Aufgabe des Oberleutnants zu stoßen. Wenn der nicht besoffen wäre von seinem Erfolg, hätte er sicherlich was gemerkt.«
    »Oh, Gott!« Aletta ließ sich auf einen Stuhl fallen und legte das Gesicht in die Hände.
    »Keine Sorge«, sagte Anton Heussner. »Von mir erfährt keiner was. Auch nicht der Oberst. Wenn ich jung wäre und einen Gestellungsbefehl erhalten hätte, wäre ich auch untergetaucht. An die Front? Nie im Leben! Ich bewundere die jungen Soldaten, die losziehen, um sich zu Kanonenfutter machen zu lassen.«
    »Es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Befehl ist Befehl.«
    »Manchmal eben auch nicht«, gab Heussner zurück. »Solange es Menschen gibt, die einem helfen ...« Er legte die Papiere auf den Tisch und pochte darauf. »Der Vertrag! Am besten wäre es, Sie kommen gleich morgen früh mit mir nach Hamburg. Aber wenn Sie noch Zeit zum Überlegen brauchen, wird Oberst von Rode Ihnen auch später eine Passage verschaffen.«
    Aletta griff nach dem Vertrag, blätterte ihn durch, ohne ein Wort zur Kenntnis zu nehmen. Singen! Auf einer großen Bühne! »Ich war heute schlecht.«
    »Gut genug, um mir zu zeigen, dass Sie nichts verlernt haben.Von einer kleinen Indisposition lasse ich mir keinen Sand in die Augen streuen.«
    Madame Butterfly! Große Arien! Ein volles Haus! Glanzvolle Premiere, Applaus statt Gegröle, mehrere Vorhänge!
    »Ich weiß nicht ...«
    »Sie wollen«, stellte Heussner fest.
    Aletta konnte nicht anders, sie musste nicken. »Aber ich kann hier nicht weg.«
    »Weil Sie Ihrer Schwester helfen müssen, diesen Deserteur zu versorgen?«
    Aletta dachte kurz nach, dann nickte sie. »Deswegen auch. Aber es gibt noch was. Eine Familienangelegenheit ...«
    Heussner klopfte auf den Vertrag. »Schade, ich hatte gehofft, Sie würden sofort die Koffer packen, und ich könnte Sie morgen am Hafen erwarten. Aber ich verstehe Sie. Auf Sylt ist es ungefährlich, keine Kriegshandlungen, keine Angriffe ... doch das kann sich ändern.«
    Die Küchentür wurde geöffnet, die Stimmen, vor allem die Schuberts, wurden lauter, drangen auf die Diele, bewegten sich zur Haustür. »Müssen wir uns nicht von der Dame des Hauses verabschieden?«, dröhnte Schubert.
    Aletta hörte Jorits beschwichtigende Worte, man könne das morgen nachholen, Insa Lornsen habe sich zur Ruhe begeben und dürfe nicht mehr gestört werden ... dann klopfte es an der Wohnzimmertür.
    Schubert steckte den Kopf herein. »Gute Nacht! Schade, dass das mit dem Umtrunk nichts Richtiges geworden ist. Ich hatte mir das Ganze anders vorgestellt.«
    »Trotzdem danke für den Champagner«, sagte Aletta, die wusste, dass eisige Liebenswürdigkeit schmerzhafter sein konnte als eine Ohrfeige.
    Aber Willem Schubert befand sich in einer Berauschung, die durch Champagner nicht mehr zu steigern, sondern höchstens zu radikalisieren war. »Gern, sehr gern!«, rief er.
    Jorit trat hinter ihn und griff nach seiner Schulter. »Kommen Sie, Herr Oberleutnant.«
    Schubert drehte sich zornig um. »Lassen Sie mich los, Gefreiter Lauritzen! Was fällt Ihnen ein?«
    Reik mischte sich ein. »Wir können nicht in einem Haus zu Gast sein, in dem die Dame des Hauses bereits schläft.«
    Schubert zeigte auf Aletta. »Ist sie hier etwa nicht die Dame des Hauses?«
    Aletta erhob sich und versuchte es erneut mit der eiskalten Höflichkeit, die sie von Ludwig gelernt hatte. Ihr Lächeln war liebenswürdig, als sie Schubert die Hand reichte. Wenn sie auch die Lippen dabei zusammenpresste, ihre Stimme war schneidend trotz der freundlichen Worte. »Danke für Ihren Besuch.«
    Prompt fiel die Angriffslust von Schubert ab, er entsann sich wieder der Pflicht, einer Dame mit Respekt zu begegnen, und verabschiedete sich

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