Sturm über Sylt
diese Angelegenheit mit einem Mal. »Das ist Anton Heussner, Dirigent an der Staatsoper in Hamburg. Er hat mir ein Angebot gemacht, das ich aber abgelehnt habe.«
»So, so.« Henksen legte den Vertrag wieder zurück. »Und mit dem Tod von Hauptmann Kalkhoff haben Sie auch nichts zu tun?«
»Natürlich nicht.«
»Und wie kommt dann Ihr Seidenschal an den Hosenbund der Leiche?«
»Das weiß ich nicht.«
»Stimmt es, dass Hauptmann Kalkhoff den Versuch gemacht hat, Sie zu vergewaltigen?«
»Nein!« Aletta war drauf und dran, den Sachverhalt richtigzustellen, aber dann korrigierte sie: »Doch, ja, gewissermaßen ... Also, es ist ihm nicht gelungen.«
»Aber Sie haben als Folge dieses Angriffs eine Fehlgeburt erlitten?«
»Ja, das ist richtig.«
Heussner nutzte die Gelegenheit, den Vertrag zu ergreifen und wieder in der Innentasche seiner Anzugjacke verschwinden zu lassen.
»Aber deswegen bringe ich ihn doch nicht um!«
»Wirklich nicht?« Kommissar Wachsmann schien ihr kein Wort zu glauben.
Anton Heussner bewegte sich zur Tür. »Ich glaube, ich störe hier nur.«
Oberkommissar Henksen bestätigte ihn. »Wenn Sie die Absicht hatten, morgen mit Frau Lornsen von Sylt zu verschwinden ... da wird definitiv nichts draus.«
»Dachte ich mir schon.« Heussner warf Aletta einen Blick zu, der alles sagte. Er bat um Verzeihung, bettelte um Verständnis, war andererseits voller Vorwürfe und noch dazu mit einer gehörigen Portion Verachtung versehen. Diesen Vertrag würde Aletta Lornsen wohl nie wieder vorgelegt bekommen.
»Ich darf mich verabschieden?«, fragte Heussner die beiden Polizisten.
Wachsmann warf Henksen einen fragenden Blick zu, dannkamen die beiden zu der Ansicht, dass dieser kleine, unauffällige Mann nichts mit dem Mord zu tun haben konnte, den sie aufzuklären hatten. »Gute Reise«, sagte Henksen. »Schön für Sie, dass Sie reisen dürfen. Aber so ist das eben, wenn man mit den richtigen Leuten befreundet ist.« Er richtete seinen Blick auf Aletta. »Natürlich hätten auch Sie reisen dürfen. Der Oberst hätte schon dafür gesorgt! Ja, wenn man berühmt ist ...«
Die Haustür fiel ins Schloss, Heussners Schritte waren zu hören, dann die Stimme des Kutschers und kurz darauf sein Ruf, mit dem er die Pferde antrieb. Die Kutsche rumpelte aus der Stephanstraße. Aletta hatte das Gefühl, dass ihr altes Leben einen Besuch bei ihr gemacht hatte und von ihrem neuen Leben hinausgeworfen worden war.
»Sie sind hiermit verhaftet«, sagte Oberkommissar Henksen, und seine Stimme war voller Genugtuung.
»Weil mein Schal bei der Leiche gefunden wurde?«, fragte Aletta ungläubig. »Der hängt auf einem Haken neben der Haustür. Den konnte sich jeder nehmen.«
»Nicht nur deswegen«, antwortete Henksen. »Auch, weil Sie ein Motiv haben. Und weil Sie, wie wir gerade herausgefunden haben, die Absicht hatten, sich abzusetzen.«
»Das stimmt nicht!«
Alettas Stimme war so laut, dass sie bis in die erste Etage dringen musste. Wenn Insa in ihrem Zimmer war, musste sie hören, dass etwas in der Küche geschah. Allerdings ... wenn sie bei Sönke auf dem Speicher war, um ihn ruhig zu halten, dann hörte sie womöglich weder Alettas Stimme noch die des Oberkommissars. Der Aufenthaltsraum war weiter entfernt. Was dort geschah, drang nicht bis auf den Speicher. Vielleicht war Insa auch neben Sönke eingeschlafen, hörte nichts und ahnte nicht, was in ihrem Hause vorging.
»Sie können sich etwas einpacken. Ein paar warme Sachen, die Gefängniszellen sind nicht gerade gut geheizt. Und ein bisschen Waschzeug. Na ja, was man eben so braucht.«
»Und ich muss meiner Schwester Bescheid sagen.«
»Wo ist sie?«
»Sie schläft schon.«
»Also gut. Wir warten hier.«
Aletta lief nach oben, öffnete Insas Schlafzimmertür – der Raum war leer. Vorsichtig huschte sie zur Speichertür, blieb stehen, lauschte ins Haus hinein. Konnte sie es wagen, diese Tür zu öffnen, damit Insa wusste, was geschah? Sie hatte gerade die Klinke geräuschlos herabgedrückt, da hörte sie Henksens Stimme im Flur. »Geh ihr nach, Jannes! Pass auf, dass sie nicht durch ein Fenster entwischt.«
Prompt ertönten Schritte auf der Treppe, Aletta ließ die Klinke hochschnellen und lief zu Insas Schlafzimmertür.
Wachsmann sah sie misstrauisch an. »Ist das da Ihr Zimmer?«
»Das Zimmer meiner Schwester.«
»Haben Sie ihr Bescheid gesagt?«
»Ja.« Aletta zögerte, dann ging sie auf ihre eigene Zimmertür zu.
»Wo geht’s da hin?« Der
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