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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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schwer.
    »Was geht dich Reik Martensen an? Misch dich nicht in mein Leben ein!«, entgegnete Insa barsch.
    »Ich wollte doch nur ...«
    Aber Insa ließ sie nicht zu Wort kommen. »Er hat dir einmal zugejubelt, in Hamburg, in der Staatsoper! Das gefällt dir? Dann geh doch wieder zurück in irgendeine Staatsoper. Es wird schon eine geben, die auch im Krieg eine Oper aufführt.«
    »Warum bist du so garstig zu mir, Insa? Warum immer noch? Ich kann nichts dafür, dass ich auf der Welt bin. War es denn so schwer für dich, eine kleine Schwester zu bekommen?«
    Sie standen am Rande des Kräutergartens, Insa starrte an Aletta vorbei zum Nachbarhaus, ohne es zu sehen, kniff die Augen zusammen, als würde sie von der Sonne geblendet, obwohl sie an diesem Tag hinter dichter Bewölkung verschwunden war. Aletta beobachtete, wie der Wind an Insas Flechten riss, wie ihre Nasenflügel bebten und ihr Unterkiefer zuckte. Schließlich sagte sie mit einer Stimme, die völlig verändert klang, ruhig, gelassen und sogar nachsichtig: »Ja, es war schlimm für mich, dass ich eine kleine Schwester bekam. Aber du hast recht, du kannst nichts dafür, dass du auf der Welt bist.«
    Damit wandte sie sich ab, und Aletta war klar, dass sie Insa trotz dieser versöhnlichen Worte nie wieder auf Reik Martensen ansprechen durfte.
    Auch der Pfarrer verschloss sich, als sie von ihm wissen wollte, was Reik Martensen für Insa bedeutet hatte. Er nahm wieder mal das Abendessen bei den Lornsens ein, hatte sich mit Hauptmann Hütten und Leutnant Fritz ausgiebig über die mangelhafte Ausrüstung der Inselwache unterhalten und war sitzen geblieben, als die beiden einquartierten Soldaten sich in ihre Zimmer begaben und Insa in den Garten ging, um die Wäsche von der Leine zu nehmen. Frerich sah aus, als wollte er so lange sitzen bleiben, bis er sicher sein konnte, nichts vereiteln zu müssen, was den Frieden in diesem Hause gefährden konnte.
    »Die beiden waren noch so jung! Insa fünfzehn und Reik sechzehn.«
    »Sie waren also verliebt ineinander?«
    »Ja, das waren sie wohl.«
    »Und meine Eltern waren gegen die Verbindung?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil ...« Aletta merkte, dass sie drauf und dran war, sich zu verraten. »Sonst hätte Insa ihm doch geschrieben«, sagte sie schließlich.
    »Du meinst, das haben eure Eltern verhindert? Nein, das glaube ich nicht.«
    »Was wissen Sie über meine Mutter?«
    »Nicht mehr als das, was alle wissen, mein Kind.«
    »Meine Mutter wollte mir auf dem Sterbebett etwas anvertrauen. Was kann das gewesen sein?«
    Der Pfarrer legte mit einer ausdrucksvollen Geste die Hand auf seinen Mund und entfernte sie ebenso nachdrücklich wieder.
    »Soll das heißen, Sie wissen es? Meine Mutter hat es gebeichtet?«
    »Das Beichtgeheimnis, mein Kind, verbietet mir sogar zu verraten, ob es überhaupt eine Beichte gegeben hat.«
    Aletta hätte ihn am liebsten gefragt, ob er damit auch sich selbst schützte, aber es gelang ihr, diese Bemerkung hinunterzuschlucken. Sie betrachtete ihn, fragte sich, was sie zu ihm hinzog. Etwas, was über das Vertrauen, das sie ihm zeitlebens entgegengebracht hatte, hinausging? Aber sie spürte nichts, so tief sie auch in sich drang.
    Pfarrer Frerich bewies mal wieder, dass er ein Meister im Themenwechsel war: »Tomma Lauritzen wird heute nach Sylt gebracht. Ich habe Jorit getroffen.«
    Sylter Kriegsblatt: Die Deutschen stoßen nach Masuren vor, um die 1. russische Armee aus Ostpreußen zu vertreiben. Aber sie kamen im masurischen Seengebiet zunächst nur mühsam voran. Am 5. September jedoch stand die 8. deutsche Armee zum Angriff bereit, dem linken Flügel der Russen wurde ein empfindlicher Schlag versetzt. In wenigen Tagen werden die Russen aus Ostpreußen vertrieben sein! Sie hatte lange nach einem Grund gesucht, sich in die Nähe des Südbahnhofs zu begeben, wo Tomma Lauritzen mit ihren Eltern ankommen sollte. Aletta hatte zufällig eine Nachbarin von Jorit darüber reden hören, dass seine Schwiegereltern über Hörnum einreisen würden. Dort gab es einen tidenunabhängigen Naturhafen, der mittlerweile eine Anlegebrücke erhalten hatte und seitdem regelmäßig von Hamburg und Cuxhaven angelaufen wurde. Von dort ging es dann mit der Südbahn nach Westerland.
    Der Stuben-Laden von Rosi Nickels hatte schließlich als Erklärung hergehalten. Sie konnten Mehl gebrauchen, damit Insa am nächsten Tag Brot backen konnte. Rosi Nickels’ Stubenladen hieß so, weil der Ladenraum ihrer Mutter noch als

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