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Sturm über Sylt

Sturm über Sylt

Titel: Sturm über Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Eigentlich wollte ich dich seitdem auch besuchen, aber ...«
    »Der Krieg!«, ergänzte Aletta, die nicht hören wollte, dass Emme sich nicht zu ihr getraut hatte, weil sie sich nicht sicher war, einer gefeierten Sängerin willkommen zu sein.
    Sie betrachtete Emme unauffällig von der Seite, während diese ihre Einkäufe erledigte. Die Wiedersehensfreude hatte Emmes Gesicht für Augenblicke jung und gelöst erscheinen lassen, jetzt fiel das Leichte der kurzen Freude von ihr ab, und sie wirkte blass und müde. Sorgen und Enttäuschung hatten bereits Linien in ihr Gesicht gemalt, obwohl Emme noch nicht einmal dreißig war. Sie war dick, als tröstete sie sich mit übermäßigem Essen. Die Bluse, die sie trug, war ihr zu eng geworden, so dass sie zwei Knöpfe nicht mehr schließen konnte. Die Haare hatte sie zu einem unordentlichen Knoten im Nacken festgesteckt. Emme Stobartsah aus, als lohne es sich nicht, dem Leben Tag für Tag etwas Schönes abzugewinnen.
    »Du hast einen niedlichen Sohn«, versuchte Aletta sie aufzumuntern. »Ich habe ihn gesehen, als ich mit Insa in der Zimmerei war.«
    Prompt erhellte sich Emmes Gesicht wieder und sah noch einmal für Augenblicke jung und unbeschwert aus. »Der Kleine ist mein ganzes Glück. Leider habe ich nur dieses eine Kind.«
    Aletta wagte nicht, etwas dazu zu sagen. Sie wusste nicht, ob es außer ihr noch jemanden gab, der von Dirks fataler Neigung wusste. Womöglich war sie die Einzige geblieben. Vielleicht gab es Menschen in seiner Umgebung, die etwas ahnten, aber keine lauten Mutmaßungen riskierten, und so war Emme arglos in diese Ehe gegangen, die nur unglücklich werden konnte. Vermutlich fragte sie sich bis heute, was sie falsch machte, ohne zu ahnen, dass sie nichts richtig machen konnte, und steckte nun in dieser diffusen Traurigkeit, aus der sie sich wohl niemals würde befreien können. So wie Weike Broders ...
    Aletta wartete, bis Emme eine Tüte Zucker und ein Stück Käse in ihrem Korb verstaut hatte, dann verließen sie gemeinsam den Laden. In der Ferne war das Stampfen der nahenden Inselbahn zu hören. Ein schriller Pfiff zeigte an, dass sie sich dem Südbahnhof näherte.
    »Ich habe gehört, deine Schwägerin wird nach Sylt gebracht«, sagte Aletta leise und war froh, dass Emme Richtung Bahnhof ging und sie an ihrer Seite bleiben konnte, ohne erklären zu müssen, warum sie diese Richtung einschlug.
    »Der arme Jorit!«, seufzte Emme. »Er wird es nicht leicht haben mit den Schwiegereltern im Haus. Tommas Vater ist zwar umgänglich und freundlich, aber die Mutter ... Ich glaube, sie macht Jorit insgeheim für den Zustand ihrer Tochter verantwortlich. Hätte Tomma kein Kind bekommen ...«
    Die Inselbahn tauchte nun wie ein schwarzes, fauchendes Ungetüm hinter den Häusern auf. Langsam näherte sie sich demBahnhof, die Bremsen quietschten, letzte Rauchwolken wurden in den Himmel gestoßen, dann kam die Bahn zischend zum Stehen. Aletta wäre gern näher herangegangen, traute sich aber nicht, Emme ihr Interesse an Tommas Ankunft so deutlich zu zeigen.
    »Wer wird Tomma und ihre Eltern abholen?«, fragte sie so leichthin wie möglich. »Jorit muss seinen Dienst bei der Inselwache tun.«
    »Er hat wieder mal Nachtschicht«, erklärte Emme, »also auch Zeit, seine Frau selber heimzuholen. Er schläft ja noch in seinem eigenen Bett. Bis die Unterkünfte für die Soldaten fertig sind, ist die Kommandantur froh über jeden, der im eigenen Haus übernachten kann.«
    Aletta sah den Leiterwagen, der nun auf die Inselbahn zufuhr, und erkannte mit einem Blick, dass es Jorit war, der in Uniform auf dem Bock saß. Nun brachte er die Pferde zum Stehen und sprang ab. Kerzengerade blieb er neben dem Wagen stehen, als salutierte er, und sah zu, wie die Waggontüren sich öffneten.
    »Dein Mann ist nicht eingezogen worden?«, fragte Aletta, ohne den Blick von Jorit zu lassen.
    »Er muss einen Betrieb führen«, erklärte Emme, die nun zügiger ausschritt, weil sie anscheinend dabei sein wollte, wenn Tomma heimkehrte. »So ist er verschont geblieben. Die Gesellen und Arbeiter sind natürlich allesamt eingezogen worden. Aber da es nur noch wenig Arbeit gibt, kommt Dirk allein zurecht.«
    »Ich habe gehört, dass Sönke sich abgesetzt hat.«
    Emmes Gesicht wurde mit einen Mal hart, ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, ihre Lippen wurden zu einer waagerechten Linie. »Dieser Feigling!«, zischte sie. »Es ist richtig, wenn solche Leute erschossen werden. Es darf ihnen nicht

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